Sharon Bezaly - eine träumende Virtuosin
Die Missionarin
Sharon Bezaly gehört zur kleinen aber feinen Gruppe der international gefeierten Holzbläsersolisten und ist zugleich eine Missionarin ihres Instruments, um zu zeigen, dass die Flöte im Solistischen eben zu Unrecht als ein Nischeninstrument zwischen Geige und Klavier gesehen wird. Mit großem Erfolg ermutigt sie seit langem international hochkarätige Komponisten wie Sofia Gubaidulina, Kalevi Aho oder Christian Lindbergh, für die Flöte als Soloinstrument zu schreiben. Jüngst wurde der Produktion "Nordic Spell" mit Auftragskompositionen Bezalys der "Midem Classical Award" verliehen. klassik.com traf die in Stockholm lebende Israelin am Strand der Cote d"Azur in Cannes zu einem Gespräch über Werdegang, Repertoire und Materialvorlieben.
Frau Bezaly, Sie sind relativ spät zur Ihrem Instrument, der Flöte, gekommen und haben dann eine rasante musikalische Entwicklung genommen. Teilen Sie diesen Eindruck?
Das stimmt: Ich habe mit 9 Jahren angefangen, Flöte zu spielen, und dann mit 14 Jahren kam mein erstes Konzert mit Zubin Metha und dem Israel Philharmonic. Ein sehr steiler Sprung, sicher, den ich aber nicht als solchen wahrgenommen habe. Auch weil mir mein Lehrer danach gesagt hat, dass es nur ein Schritt auf meinem Entwicklungsweg ist. Ein großer Schritt und eine große Chance, aber eben auch nicht mehr. Meine Mutter war aufgeregter als ich selbst. Ich habe mir nicht so viele Gedanken gemacht, was ja auch normal ist mit 14 Jahren.
War zu dem Zeitpunkt schon klar, dass es der Weg in eine solistische Karriere werden kann oder war mit 14 noch nicht klar, ob Sie Musik professionell machen wollen oder doch lieber z.B. Ärztin werden?
Ich habe daran damals wirklich noch nicht gedacht, ob ich weiter machen würde. Im Anschluss kamen allerdings mehr und mehr Konzerte, vor allem in Israel. Ich habe da wirklich große Chancen bekommen, praktisch mit allen israelischen Orchestern zu spielen; hatte auch Rezitale zusammen mit meiner Mutter, die eine passionierte Pianistin ist. Alles natürlich parallel zu meinem Schulleben. Das war vor allem für meinen Vater enorm wichtig. Ich sollte ganz normal mein Abitur machen. Und nicht, wie es bei anderen jungen Musikern der Fall ist, die Schule abbrechen oder das Abitur irgendwie später und extern machen.
Dann habe ich bei einem Konzert in Israel Jean Pierre Rampal getroffen. Er hörte mich und meinte, dass ich unbedingt nach Paris zum Studium kommen müsse. Damals war ich 16. Wir haben das dann zu Hause intern diskutiert und mein Vater meinte, dass ich ruhig noch ein Jahr warten könne. Es sei eben wirklich besser, erst die Schule zu beenden. So habe ich es dann gemacht, und ich denke es war eine sehr wichtige und auch sehr richtige Entscheidung. Dann bin ich mit 18 Jahren nach Paris gegangen.
Haben Sie dort auch bei Rampal studiert?
Nein, leider nicht mehr. Er unterrichtete nicht mehr. Am Conservertoire Supérieur habe ich meine Aufnahmeprüfung gemacht und wurde genommen. Unterrichtet wurde ich von Alain Marion und studierte Kammermusik bei Maurice Bourge, einem Oboisten. Das passierte alles sehr natürlich, nichts war von außen erzwungen. In meinem letzten Studienjahr in Paris kam Maurice Bourge und erzählte, dass er jetzt in dieser neuen Akademie in Prag sei und ich unbedingt in einem Austausch dorthin kommen müsse. Die Zeit war wirklich fantastisch. Dort hatte man nicht nur als Flötist bei einem Flötisten unterricht. Alle 2 Wochen kam ein anderer berühmter Künstler und unterrichtete. Man arbeitete also ständig mit anderen Instrumentalisten und Instrumenten zusammen. Das hat mir technisch und künstlerisch ganz, ganz viel gebracht. Auch der Austausch mit anderen Instrumenten war sehr interessant und inspirierend zugleich. Mit der Flöte ist es ja leider etwas wie mit dem Gesang. Man sieht so viele Sachen beim Spielen nicht, man sieht z.B. den Vibratoeinsatz nicht. Es ist eher etwas Philosophisches. Da habe ich alleine durch das Beobachten anderer Instrumentalisten unheimlich viel gelernt und erkannt, wie wichtig das Visualisieren von Gestaltungsmitteln beim Musizieren und die Interaktion zwischen Musiker und Hörer ist. Übrigens habe ich in Prag dann auch Aurel Nicolet getroffen, den ich vorher persönlich noch nicht kannte. Er hat mir dann die Zirkuläratmung beigebracht.
Wie wichtig ist denn dieses atemtechnische Feature für Sie als Flötistin?
Oh, sie ist ernorm wichtig. Sie hat mich wirklich von vielen atmungstechnischen Zwängen befreit. Ich nutze die Zirkuläratmung nicht als Showelement. Es geht dabei wirklich nur um die Musik. So wollte ich beispielsweise den ersten Satz der Partita von J. S. Bach nie im Konzert spielen. Ich kann mich noch daran erinnern wie ich dieses Stück in Paris im Studium lernte. Wir haben da sehr lange diskutiert wo wir z.B. ein kleines Retenuto machen, das mit der Musik überhaupt nichts zu tun hat, nur um zu atmen. Ich war aber von diesen Unterbrechungen nie überzeugt und wollte das Stück deshalb auch nie spielen. Und jetzt konnte ich mit Hilfe der Zirkuläratmung dort atmen, wo die Musik es braucht und nicht dort, wo mich die Spieltechnik dazu zwingt. Ich versuche übrigens nicht, das Atmen zu verhindern. Gerade bei CD-Produktionen ist es mir wichtig, dass man das Atmen auch hört, einfach weil es zu jedem Blasinstrument dazu gehört. Wenn man vier Minuten Flötenmusik am Stück hört und kein Atmen wahrnimmt, dann wird man doch auch als Hörer ganz blau im Gesicht vor lauter mitempfundener Atemnot.
Ich stelle es mir schwer vor, bei dem sehr beschränkten Solorepertoire für Flöte ausreichend glücklich zu werden, wenn man die Solistenlaufbahn einschlägt. Außer den zwei oder drei Mozartkonzerten, etwas Barock (Vivaldi, Telemann, Bach), ein bisschen Romantik (Reinicke, Jolivet, Nielsen, Ibert) und ein wenig Moderne ist da nichts. Wie löst man diese Herausforderung? Haben Sie einen Weg aus der vorprogrammierten Repertoireeinöde gefunden?
Sie haben natürlich vollkommen Recht. Als ich damals in einer Entscheidungsphase nach dem Studium war und die Frage kam, wie es jetzt weitergeht, hatte ich auch von Daniel Barenboim eine Anfrage bekommen, Soloflötistin bei seinem Chicago Symphony Orchestra zu werden. Und ich habe mir gedacht: Nein, ich will wirklich als Solistin spielen. Ich hatte sicher auch Angst, dass ich in einem so großen und berühmten Orchester meine Individualität verlieren würde. Das wollte ich aber auf gar keinen Fall. Ich habe mich damals auch gefragt, warum es für Flöte nur so wenig Solorepertoire gibt. Dabei kann man doch so tolle Dinge mit diesem Instrument machen, das praktisch grenzenlos in seiner Handhabung ist: Man kann singen und wunderbare Melodien präsentieren, auf der anderen Seite kann man aber auch sehr schnell und virtuos spielen. Leider gab es wohl niemanden, der die Komponisten der Romantik und Moderne davon hat überzeugen oder inspirieren können. Nein, ich möchte nicht mein ganzes Leben nur Mozart und die anderen wenigen Werke spielen. Ich liebe Mozart, aber es war mir einfach auf Dauer zu wenig. Ich wollte einfach die Sprache dieses Instrumentes verbreiten über den gängigen Horizont hinaus. Da sind wir dann auf die Idee gekommen, eine CD-Reihe für Flöte Solo bei BIS zu machen. Das hat einen gewissen Schneeballeffekt in Gang gesetzt. Viele Komponisten sind gekommen und wollten Teil dieses Projektes sein und neue Werke für Flöte-Solo schreiben. So kam beispielsweise Kalevi Aho zu mir, nachdem er Solo3 gehört hatte und sagte: Ok, ich will für dich schreiben. Jetzt sind es schon 13 Komponisten, die für diese Reihe geschrieben haben oder noch schreiben. Für mich ist es alles wie in einem schönen Traum.
Sind dies denn auch alles Stücke, bei deren erstem Lesen man sagt: Oh ja, das ist tolle Musik, oder muss dann doch noch viel im Nachhinein verändert und angepasst werden?
Das ist ganz verschieden. Mit Christian Lindberg z.B., der ja kein reiner Komponist sondern auch Posaunist ist, habe ich mich viel austauschen können. Wir sind Nachbarn in Schweden. Da konnte es schon mal sein, dass er abends anrief und mich rüberholte, weil er vier Takte fertig hatte, an denen wir dann zusammen korrigiert haben. Es war also für ihn als Komponisten auch ein gewisser ‚learning by doing’ Effekt. Ganz anders war es mit Sofia Gubaidulina. Von ihr erhielt ich ein fertiges Stück. Wir haben dann nur ein paar Kleinigkeiten verändert und ein unterbrechungsloses Perpetuum mobile geschaffen, das von ihr nicht komplett ausgefüllt geschrieben worden war aus Rücksicht auf die Atmungsnotwendigkeiten. Das war ja dann wegen meiner Zirkuläratmung nicht mehr nötig. Und bei Kalevi Aho kam ein fix und fertiges Stück, dass dann so unverändert aufgeführt wurde. Jedes Konzert ist also anders entstanden. Viele sind ja auch noch sehr junge Komponisten, die nicht über all zu viel Erfahrung mit bestimmten Instrumenten beim Komponieren verfügen. Und es ist schon toll zu erleben, dass man ein solch großen Einfluss auf das Entstehen eines neuen Werkes hat. Es macht mich enorm glücklich.
Wie gut gelingt es denn, den zweiten Schritt nach dem Komponieren zu machen und die neu entstandenen Werke nicht nur auf CD zu bannen, sondern auch im Konzertrepertoire der Veranstalter und Orchester zu etablieren?
Zum einen legen wir ganz großen Wert darauf, dass die Werke, bevor sie im Studio eingespielt werden, eine Premiere im Konzert erlebt haben. Und ich kann sehr stolz und dankbar zugleich sagen, dass ich die meisten Werke oft in Konzerten spielen durfte. Aho habe ich in den USA mit Osmo Vänskä spielen können, Gubaidulina in Skandinavien, Japan und in England. Ich bin also wirklich froh, dass es eben bei den meisten Stücken nicht nur die Uraufführung gibt. Man geht auch immer ein gewisses Risiko ein, wenn man ein Werk in Auftrag gibt. Umso erstaunlicher ist es, dass eigentlich alle Stücke wirklich expressive, tolle Musik geworden sind, mit schönen Melodien, die den gesanglichen Charakter der Flöte nicht ignorieren. Das ist auch für das Publikum enorm wichtig. Und ich kann es bei den Aufführungen immer wieder erleben: Die Musik trifft die Leute. Und genau darum geht es. Musik soll berühren.
Welche Rolle spielt die Kammermusik? Spielt sie eine oder hat sie früher eine gespielt?
Sie hat früher eine sehr große Rolle gespielt als ich 20 Jahre war. In Paris und Prag während der Studien war sie enorm wichtig. Ich habe dann auch ein paar Mal mit Gideon Kremer gespielt, was mir auch sehr viel gebracht hat. In der Camerata Academica Salzburg, wo ich ja einige Jahre Solo-Flötistin war, habe ich auch viel Kammermusikalisches bei Sándor Végh gemacht, was auch eine wichtige Erfahrung war. Da habe ich auch gemerkt, wie wichtig es ist, in einem Orchester gespielt zu haben. Damals wollte ich noch beides, also Solokarriere und Orchesterspiel, so lange es geht parallel machen. Und ein Kammerorchester, noch dazu mit einem Künstler wie Sándor Végh als Leiter, der so ganz anders war als der typische Orchesterdirigent, ist etwas besonderes, das einem viel Individualität lässt. Und dann kam der Vertrag mit BIS.
Wie kam es dazu?
Das ist wirklich sehr komisch gewesen. Ich habe in Lockenhaus mit Gidon Kremer gespielt. Das Thema war damals Musik von Nino Rota. Das Konzert wurde Mitgeschnitten, und der Veranstalter suchte ein Label, das diesen Mitschnitt auf CD veröffentlichen wollte. Es ist dann bei BIS erschienen. So kam dann der erste Kontakt mit diesem Label zustande, der ja heute bis in familiäre Kreise reicht. (Bezaly ist mit BIS Gründer und Chef Robert von Bahr verheiratet. Anm. d. R.). Wenn man mir das damals vorhergesagt hätte, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt. Doch: That’s the beauty of life.
Bevorzugen Sie denn die Studioarbeit, oder stehen Sie lieber auf der Bühne?
Ich gebe ja ehrlich zu, wenn ich schon eine CD höre, dann ist es lieber keine Flötenmusik. Auch meine eigenen Platten müssen es nicht sein. Ich bin so in den Aufnahme-, aber auch Schneideprozess involviert, dass ich es manchmal nicht mehr hören mag. Sie steht dann im Regal, und da bleibt sie auch. Und doch mag ich beide Dinge sehr gern. Das Konzert ist eine kurze Momentaufnahme, etwas Unwiederbringliches. Bei einer Studioproduktion hat man einfach mehr Möglichkeiten, Dinge zu korrigieren bzw. zu perfektionieren. Wir versuchen, bei BIS die Produktionen nicht auf eine sterile Art zu produzieren. Lebendigkeit ist enorm wichtig. Die Platten sollen berühren. Da hat man auch manchmal Diskussionen mit den Tonmeistern, ob technische Perfektion über Musikalität gehen soll. Die Musikalität gewinnt in der Regel. Oder anders gesagt: Perfektion ja, aber nicht auf Kosten der Musik.
Gibt es Kontakte zwischen Ihnen und den recht wenigen Solisten-Kollegen? Kennt man sich?
Ich muss ehrlich sagen, dass es diesen Kontakt nicht wirklich gibt. Man weiß natürlich, wer da ist und beobachtet etwas, was die anderen machen. Aber ich höre ihre Arbeiten nicht oft. Es ergibt sich einfach nicht. Ich lasse mich auch eher durch Orchester- und Kammermusik inspirieren.
Wie sieht es denn mit der historischen Aufführungspraxis aus? Hatten Sie Kontakt damit, oder gar eine richtige Ausbildung in diesem Bereich?
Das ist so ein Bereich, bei dem es mir etwas leid tut, ihn im Studium nicht wirklich behandelt zu haben. Es gab in Paris eine Klasse für historische Aufführungspraxis. Doch hat mich dieses Thema damals überhaupt nicht interessiert. Und heute denke ich, dass es gut wäre, sich damit auseinander zu setzen. Leider fehlt jetzt absolut die Zeit dafür. Ich höre viel aus diesem Bereich, auch weil es enorm wichtig ist, für das eigene musikalische Konzept. Ich versuche, ein wenig einen Kompromiss aus historischen Errungenschaften in spieltechnischer Hinsicht und dem modernen Instrumentarium, das viele wichtige Vorteile mit sich gebracht hat, zu finden. Einen für alle Geschmäcker befriedigenden Weg also.
Gegenwärtig ist ja das Spielen auf modernen Holzflöten sehr populär geworden. Haben Sie auf diesem Sektor auch einiges ausprobiert?
Ja habe ich, aber das Material auf dem man spielt, ist etwas sehr, sehr persönliches. Für das, was ich persönlich suche, also einen Ton, der sehr flexibel, sehr präsent und sehr brillant ist, war Holz nicht das Richtige. Meine Vorstellungen konnte ich nur auf Goldflöten umsetzen. Speziell mit dieser 24 Karat Goldflöte, die ich jetzt spiele, habe ich die großen Töne ebenso wie das sensible Pianospiel. Bei Holzflöten fehlte mir immer die Brillanz. Ich habe auch Platin-Flöten ausprobiert. Die sind zwar sehr präsent im Klang, der Ton klingt dabei jedoch mehr wie eine Trompete, und nach 5 Minuten konnte ich es nicht mehr hören.
Sind denn die Tonfarbenunterschiede zwischen Silber- und Goldflöten aus Ihrer Sicht eminente?
Ja unbedingt. Ich würde sagen, es ist einfacher, eine Silberflöte zu spielen. Auf Gold geht vieles deutlich schwieriger, ist schwerer zu kontrollieren. Man muss eine solche Flöte erst zu bändigen lernen. Wenn man das kann, dann ist aus meiner Sicht der Klang voller und flexibler. Ich fühle mich da wohler. Aber wie gesagt: Das ist ein sehr sensibles und persönliches Thema. Jeder fühlt sich auf einem anderen Material wohl. Und dieses Wohlfühlen ist am Ende das Wichtigste.
Pflegen sie enge künstlerische Partnerschaften mit anderen Musikern oder Orchestern?
Mit Orchestern bilden sich langsam engere Partnerschaften. Wenn ich irgendwo spiele, dann werde ich immer wieder eingeladen, so dass sich auf diesem Sektor eine gewisse Konstanz einstellt. Mit Osmo Vänskä gibt es eine kleine Partnerschaft. Er ist ein sehr großer Fan von Alevi Kaho und nimmt mich mit dessen Flötenkonzert mit auf Tournee nach Amerika und Japan. Mit Ronald Brautigam spiele ich regelmäßig Kammermusik zusammen. Unsere zweite gemeinsame Platte ist gerade auf den Markt gekommen. Er ist ein toller Pianist, mit dessen Sound sich meine Spielweise wunderbar ergänzt, eine wunderbare Symbiose eingeht.
Welches sind ihre persönlichen Konzerthighlights des Jahres 2006?
Die Saison 2006/07 wird für mich sehr spannend. Ich habe viele schöne, auch prestigeträchtige Angagements: das BBC Symphony mit Martyn Brabbins, das Orchestre National de Belgique mit Mikko Franck, eine Japantournee mit 5 Konzerten, die erwähnten Konzerte mit Osmo Vänskä in den USA, und ich werde in Verbiers (Schweiz) beim dortigen Festival mehrfach spielen. Da kommen also wirklich viele spannende und prestigeträchtige Konzerte, auf die ich mich riesig freue.
Haben Sie schon darüber nachgedacht, das eigene Können, die eigenen musikalischen Sichten an Schüler weiterzugeben? Unterrichten Sie?
Nein, das kommt für mich jetzt noch nicht in Frage. Die Verantwortung, die man dann für seine Schüler hat, ist einfach zu groß für mich im Moment. Ich bin zuviel unterwegs, um einen regelmäßigen und strukturierten Unterricht geben zu können und einen Schüler mit der nötigen Aufmerksamkeit durch ein Studium zu begleiten. Es wäre einfach unfair für die Studenten. Was ich allerdings mache: Ich gebe oft und auch sehr gerne Meisterkurse.
Wie kommt es, dass Sie als gebürtige Israelin der Sonne entflohen in Schweden leben. Sind dies vor allem familiäre oder auch künstlerische Gründe? Oder mögen Sie einfach kein Licht?
Oh ja, das sind vor allem familiäre Gründe. Als freischaffende Künstlerin ist es sonst ziemlich egal wo ich lebe. Aber ich bin fasziniert von den skandinavischen Ländern. Von der Natur und den Menschen, aber auch von der Musikszene. In Finnland z.B. gibt es so unglaublich viele gute Komponisten und Dirigenten, das ist für einen Musiker geradezu paradiesisch. Und wenn man dort lebt, hat man zu den Menschen und ihrer Musik auch einen viel besseren Zugang. Das ist dann ganz natürlich. Aber eines ist auch ganz klar: Mir fehlt das Licht! Man glaubt es erst gar nicht, aber diese 1 ½ Stunden weniger Sonnenlicht am Tag fehlen einem ganz enorm. Am Anfang war das sehr schwer. Man wird faul und schläfrig und auch etwas unkonzentriert. Jetzt mit meinem Sohn ist dies alles einfacher geworden. Leider bin ich aber auch nicht mehr so oft daheim. Selten schaffe ich es öfter als einmal im Jahr zurück nach Israel.
A propos Kind: Wie lassen sich denn die beiden Rollen als junge Mutter und als international tätige Solisten miteinander verbinden?
Das geht erstaunlich gut. Normalerweise bin ich eher der chaotische Typ, nicht so super organisiert. Aber jetzt mit Kind hat sich das erstaunlich geändert. Ich bin viel ruhiger und strukturierter in meinem Leben geworden und habe mich als Mensch auch sehr weiterentwickelt. Das war am Anfang gar nicht so einfach, auch weil ich nach der Geburt den Anschluss ans Konzertieren nicht verlieren wollte und zweieinhalb Monate nach der Entbindung gleich wieder mein erstes Konzert spielte. Heute überlege ich auch viel intensiver, welche Angebote ich annehme und welche Konzerte ich nicht mehr mache, weil es einfach zu viel würde und das Familienleben auch eine wichtige Stellung in meinem Leben einnimmt. Ich bin sehr zufrieden, wie es gelaufen ist. Und mein Sohn soll auch kein Musiker werden; dann schon lieber Fußballer. Wenn er aber mit dem Wunsch kommt, Musik zu machen, dann wird er das natürlich dürfen.
Das Gespräch führte Frank Bayer.
(02/2006)
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