
Die Initiatoren des Zeitkunst Festivals über den Dialog der Künste
"Kunst ist immer anspruchsvoll"
Das Zeitkunst Festival zählt zu den Impulsgebern für zeitgenössische Musik. Das liegt zum einen an der Vielfältigkeit, die Zeitkunst verfolgt. Das jährlich stattfindende Festival widmet sich nicht nur der zeitgenössischen Musik, sondern auch der zeitgenössischen Lyrik und anderen Gattungen, für die der Fluss der Zeit ebenso das grundlegende Lebenselement ist wie etwa Tanz, Performance und Videokunst. Zum anderen aber liegt das vor allem an der Qualität und Intensität, mit der die Verschränkung und Zusammenarbeit der Künste betrieben wird. Die künstlerischen Leiter des Festivals, der Autor und Verleger Johannes Frank, der Cellist Julian Arp und der Pianist Caspar Frantz, setzen auf einen produktiven Austausch, eine Verschränkung der Gattungen, die über traditionelle Formate wie Konzertlesungen oder Gedichtvertonungen hinausgeht. Die Erfolge des Festivals in Berlin und Paris sowie bei Gastspielen des Ensembles Zeitkunst scheinen dem Konzept bisher auf ganzer Linie Recht zu geben. klassik.com-Autor Tobias Roth sprach mit den Initiatoren über die Anfänge des Festivals, die konkrete Arbeit an den Werken sowie die Zukunftspläne und –aussichten von Zeitkunst.
Wie entstand die Idee einer Fusion zeitgenössischer Kammermusik und Lyrik?
Johannes Frank: Diese Etappen haben wir immer gemeinsam genommen, in einem engen Austausch. Mit- und aneinander haben wir erleben können, wie bereichernd der Austausch mit einer anderen Kunst ist, und welche Herausforderungen in einem solchen Austausch liegen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der Komponisten und Lyriker? Wie reagieren die Gattungen konkret aufeinander?
Und das Zeitkunst Festival fördert gerade diesen Austausch?
Frantz: Und die Künstler reagieren aufeinander und die Aufgabe, die wir ihnen stellen, ganz unterschiedlich. Es gibt unterschiedliche Ausgestaltungen der Zusammenarbeit. Manche sind sehr eng: Es wird viel kommuniziert, miteinander diskutiert, sich über Arbeitsweisen ausgetauscht, die performative Ebene reflektiert.
Ist eine solch enge Zusammenarbeit die Regel?
Frank: Es ist für alle Beteiligten zunächst etwas Neues, etwas, das viele Herausforderungen bietet und viel Freude bereiten kann!
Auch in der klassischen Musik gilt Banalisierung immer mehr als Königsweg zum gut gefüllten Saal. Wie sind Ihre Erfahrungen bei diesen anspruchsvollen, zeitgenössischen Programmen?
Frank: Unser Weg ist immer der andere. Wir suchen bewusst auch Reibungsflächen, schauen in der Literatur, welche Themen angesprochen werden können, welche Stile sich bei Zeitkunst entfalten können. Dabei achten wir immer auf das Potential für sinnvolle Auseinandersetzung. Der Austausch selbst lässt schon keine Banalitäten zu. Gerade mit unseren internationalen Partnern und den internationalen Künstlern ist Zeitkunst immer auch ein Fragen nach Traditionen, nach unterschiedlichen Zugängen, Verständnissen von Kunst und Form, von Bedeutung, von Inhalt. Und auch durch den Austausch in einigen Programmen mit bildenden Künstlern kommen Ebenen hinzu, die sich gegen das Gewohnte und Banale wenden.
Wie reagiert das Publikum auf Ihr Reibungsflächen-Angebot?
Arp: Und unsere Regisseurin, Lilly Jäckl, hat diese Aspekte vorausschauend zu einem sinnstiftenden Ganzen werden lassen. Es ist für uns beglückend, wenn man wie neulich in Paris von einer 70-jährigen Dame nach unserem John Cage-Programm hört, dass sie seit 25 Jahren nicht so etwas Bereicherndes erlebt habe. Dann merkt man, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die beteiligten Künstler aus?
Und auf der Seite der Literatur?
Frantz: Und aus Arbeitsbeziehungen werden häufig auch Freundschaften, so z.B mit den Komponisten Samir Odeh-Tamimi, Sarah Nemtsov oder Helena Winkelman. In den Freundschaften werden auch die Beziehungen zwischen den Künsten weiter getragen und gestärkt.
Wie lassen sich inhaltliche oder formale Entsprechungen und Beziehungen zwischen Musik und Lyrik ausarbeiten, die über die traditionelle Strategie der Vertonung hinausgehen?
Frantz: Es gibt ja die unterschiedlichsten Anknüpfungspunkte – von inhaltlichen Anknüpfungspunkten, also der Frage, ob es Künstler gibt, die eine ähnliche Ausrichtung haben, bis hin zu formalen Beziehungen.
Wie darf man sich die Anknüpfungspunkte konkret vorstellen?
Wie kommt es Ihrer Meinung nach, dass moderne Malerei in der Zwischenzeit enorme Breitenwirkung entfaltet und etwa ungegenständliche Bilder niemanden mehr verschrecken, während Musik und Literatur noch sehr ‚gegenständlich‘ sein müssen? Obwohl, oder gerade weil Literatur und Musik schneller ‚ins Blut‘ gehen? Es genügt ja bereits Beethovens ‚Große Fuge‘, um ein Publikum unruhig werden zu lassen.
Frantz: Natürlich sehnen sich viele nach Schönheit und können mit der Häufung von Dissonanz nicht umgehen. Eigentlich ist das 21. Jahrhundert aber eine große Chance für die Musikwelt, weil so heterogene Stile nebeneinander existieren können. Ein romantisch denkender Komponist wie Sven-Ingo Koch findet seinen Platz ebenso wie ein Helmut Lachenmann. Viele zeitgenössische Kompositionen finden anstandslos Verwendung im Film, aber ohne die visuelle Ebene gibt es deutlichere Hemmschwellen. Den Film ‚Shining‘ bringt man ja nicht im ersten Moment mit dem Komponisten Penderecki in Verbindung, dennoch ist dort seine Musik zu hören! Es ist auch aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, dass Beethovens ‚Große Fuge‘ bei der Uraufführung dem damaligen Publikum zugänglicher war. Auch wollen wir die klassische Konzertsituation sinnvoll hinterfragen. Das ist auch eine Herausforderung für uns, die wir mit ‚klassischen‘ Lesungs- und Konzertsituationen vertraut sind.
Bei der Literatur gibt allerdings nicht die Möglichkeit wie beim Film, dass eine Ebene – hier das Visuelle – eine andere – das Klangliche – überlagert und dadurch vom reinen Klang gewissermaßen ablenkt. Die ‚Dissonanzen‘ der Literatur stellen offenbar eine recht große Herausforderung für Teile des Publikums dar.
Welche Rolle spielt das Internet für Zeitkunst?
Arp: Im Internet ist die Präsenz der Neuen Musik allerdings noch völlig unzureichend. Portale wie klassik.com sind in den letzten Jahren zu wichtigen Umschlagplätzen für Informationen geworden. Aber aus der Neuen Musik-Szene heraus geschieht dort, besonders im Vergleich zur Literatur, noch sehr wenig. Das ist auch überraschend für uns, da sich die Neue Musik ja eigentlich nicht in Sachen innovativer Medien zurückhält.
Das Gespräch führte Tobias Roth.
(01/2013)
Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen? Empfehlen Sie ihn weiter!
Weitere aktuelle Interviews:
Jetzt im klassik.com Radio


Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen