Projektmanagerin Fabienne Krause über die neue Klassik-Messe „Classical:Next“
"Wir bieten die Plattform"
Die klassische Musik erhält einen neuen Knotenpunkt. Ende Mai wird im Gasteig in München erstmals die Klassik-Messe „Classical:Next“ stattfinden und den Netzwerken der klassischen Musik ein weiteres internationales Zentrum geben. Veranstaltet wird die Messe von der Berliner piranha womex AG, die auch die seit 1994 stattfindende Weltmusik-Messe Womex organisiert. Die Veranstalter haben bei der Organisation und Ausrichtung der Messe wichtige Lehren aus den Neuen Medien gezogen und das Internet intensiv in ihr Konzept mit einbezogen: sowohl, was die Thematisierung des neuen Mediums anbelangt, als auch in Bezug auf Methoden der Vernetzung und Kommunikation, die in der analogen Welt erst allmählich Fuß fassen. Ein Beispiel hierfür sind nicht zuletzt die dynamischen Standpreise: je früher sich Interessenten für die Messe registrieren, desto billiger wird es. Die erste Registrierungsphase endet am 27. Januar 2012. Große Labels wie Naxos haben bereits zugesagt und die Unterstützung der „Classical:Next“ angeboten. Aber auch und vor allem an unabhängige und kleinere Labels wendet sich das Angebot der Messe. So arbeitet man eng mit der Vereinigung deutscher Klassik-Labels „Class“ zusammen. klassik.com-Autor Tobias Roth sprach mit Projektmanagerin Fabienne Krause über Themenausrichtungen und Schwerpunkte, Vermittlungsmöglichkeiten und neue Präsentationsformate.
Gibt es bereits Themenschwerpunkte für die Ausrichtung der ersten Auflage der „Classical:Next“?
Die Messe selbst ist in drei große Bereiche gegliedert: die Expo, eine klassischen Standmesse, die Conference und eine Reihe von Konzerten, die das Messegeschehen begleiten werden. Für den Bereich der Konferenz haben wir bereits grobe Schwerpunkte vorgeschlagen, die in Panels, Workshops und Diskussionsrunden vorgestellt und besprochen werden können. Aber wir weisen explizit darauf hin, dass tatsächlich ein freier Austausch stattfinden soll, dessen Inhalte wir nicht vorgeben möchten. Wir bieten eine Plattform, auf der die Community sich ausleben können soll. Wir sorgen für den Rahmen, aber die Gemeinschaft soll das Geschehen antreiben. Natürlich werden wir gewährleisten, dass eine gewisse Balance herrscht und nicht ein Sektor überrepräsentiert ist. Wir möchten eine ausgewogene Situation herstellen, in der ein reges Networking stattfinden kann. Das Angebot richtet sich sowohl an größere, als auch an kleinere Labels, an Künstler, Wissenschaftler, Musikpädagogen. Wir versuchen alle zu erreichen, die ein Interesse an der klassischen Musik und ihrer Förderung haben.
Gibt es bereits Vorschläge und Zusagen für die Conference?
Es wird vor allem um die Themen gehen, die die klassische Musik in Zukunft beschäftigen werden und für die noch kein großes Bewusstsein herrscht. Es geht uns darum, die Probleme nicht nur zu referieren, sondern auch anzupacken. Thema wird also beispielsweise sein, wie die Kreativwirtschaft mit dem Produkt Klassische Musik weiterkommen und wie weiterhin ein großes Publikum erreicht werden kann. Abseits der Gemeinplätze soll es auch um speziellere Probleme gehen, etwa Belastungserkrankungen bei Musikern. Hier sollen neue Antworten, neue konkrete therapeutische Vorschläge diskutiert werden. Möglich wäre es auch, die Tontechnik in den Blick zu nehmen. Ingenieure und Tonmeister haben ja einen ausgesprochen wichtigen Beruf für diese Musik – aber das läuft immer ein bisschen nebenher und steht selten im Zentrum einer konzentrierten Auseinandersetzung.
Es geht also darum, aus ungewöhnlicheren Blickwinkeln die Frage anzugreifen, wie man mehr klassische Musik in die Öffentlichkeit bringen kann?
Das ist natürlich eine der Herausforderungen. Aber es sollen im Laufe der Messe besonders spezielle Fälle in den Blick genommen werden, sodass auf konkrete Fragestellungen konkrete Antworten erarbeitet werden können. Diese Diskussion wird auch nicht auf die Messetage selbst beschränkt bleiben: darüber hinaus werden wir eine Online-Plattform einrichten, wo alle Fachbesucher sich weiterhin austauschen und vernetzen können. Während also Themen auf der Messe vorgestellt und präsentiert werden, kann die Diskussion über das ganze Jahr hinweg stattfinden. Das ist ein großer Vorteil.
Die Messe stützt sich also stark auf einen Web2.0-Ansatz? Wenn es um den Niedergang der traditionellen Musikindustrie geht, wird der schwarze Peter ganz im Gegenteil häufig zum Internet geschoben.
Es geht darum, die vorhandenen Strukturen sinnvoll zu nutzen. Deswegen wird es die Messe in analoger und in digitaler Form geben. Man muss lernen, mit den Neuen Medien umzugehen, und das passiert in der klassischen Musik auch immer mehr. Das Klischee, dass der stereotype klassische Musiker mit dem Internet nicht so viel zu tun hat, hat allmählich ausgedient. Wenn man heute mit den Profis redet, merkt man schnell, dass sie natürlich mit den Neuen Medien umgehen und sie auch voll nutzen. Deshalb findet unser Konzept bisher auch viel Anklang.
Ist diese Idee des „user-generated content“ auch als Förderung der kleinen Labels zu verstehen?
Ja, das ist eine Verantwortung, die wir haben. Aber natürlich wollen wir alle anziehen: Es hat keinen Sinn, die noch verbliebenen Majorlabels von vorne herein auszuschließen. Wir sind die Plattform und brauchen den Input von außen. Welches Mischverhältnis sich dann daraus ergibt, wird man Ende Mai sehen.
Wächst das Interesse am Internet, nicht nur als Kommunikations-, sondern auch als Distributionsinstrument?
Ja, ich würde sagen, da ist sogar schon mehr als nur Interesse. Gerade kleine Labels sind heute darauf angewiesen, auch diese Möglichkeiten zu nutzen. Was dabei natürlich nicht aus den Augen verloren werden darf, ist die Wertigkeit. Es kann gut sein, dass da noch etwas Skepsis vor dem Medium herrscht. Stichwort: mp3 oder kostenlose Downloads. Die Wertigkeit der Musik wie des jeweiligen Produkts muss betont werden. Man muss Überzeugungsarbeit leisten, dass für etwas Hochwertiges auch ein bestimmter Preis bezahlt werden muss. Momentan scheint in den Köpfen noch sehr stark der Wille zum Vielen und Günstigen zu herrschen, aber ich glaube, dass das langsam abgebaut wird und verschwindet. Den Menschen, die sich mit klassischer Musik beschäftigen, dürfte das auch relativ klar sein, und sie werden Wertigkeit schätzen und einen entsprechenden Preis bezahlen wollen. Darauf bezieht sich auch der Ansatz unserer Messe: Es gibt keine Tageskarten, sondern nur Dauerkarten für Fachbesucher. Das hat natürlich seinen Preis. Aber dass es ein hochwertiges Format ist, das Nutzen bringt und sich auszahlt, wird auch gerade dadurch gesichert.
Andere internationale Musik-Messen, wie etwa die seit langem etablierte MIDEM in Cannes befinden sich seit Jahren ja eher in einer Krise.
Das kommt uns natürlich zu Ohren und generiert auch den Bedarf, dem wir entgegenkommen. Aber wir sehen uns nicht als neuen Gegner, der bereits existierenden Musikmessen Konkurrenz macht. Wir wollen, ganz im Gegenteil, Partnerschaften mit anderen Musikmessen abschließen, um sich auszutauschen und sich nicht gegenseitig das Publikum abzugreifen. Wir haben eben ein anderes, auf die Klassik konzentriertes Format, das nicht im direkten Wettbewerb mit den anderen steht, und das, wie ich denke, für viele sehr attraktiv sein könnte. Die Konzentration und Spezialisierung hat den großen Vorteil, dass Branchenvertreter und Fachbesucher sich von Angesicht zu Angesicht begegnen und unterhalten können. Auf den großen allgemeinen Musikmessen führt die klassische Musik ja oft ein Nischendasein. Ein spezialisierter Ort, an dem sich die Vertreter der klassischen Musik treffen und austauschen können, ist also ein Desiderat und wird von vielen verlangt. Diese Bündelung ist natürlich auch mit einer Zeit- und Kostenersparnis für alle Beteiligten verbunden.
Die Messe wird im Münchner Gasteig stattfinden. Wie ist die Wahl auf diesen Ort gefallen? Wie klappt bisher die Zusammenarbeit?
Ich war erst vor Kurzem wieder im Gasteig – und bin immer wieder erstaunt, was da für ein reges Treiben herrscht. In diesem riesigen Bildungs- und Kulturbau ist von den Münchner Philharmonikern bis hin zur Stadtbibliothek und zur Volkshochschule alles untergebracht. Zudem ist dieses Zentrum der Kultur im Zentrum von München angesiedelt. Das alles macht den Gasteig zu einem idealen Ort, um eine Messe wie die unsere zu veranstalten. Zudem ist München ohne Frage eine Musikstadt. Unsere Messe wird vom Kulturreferat der Stadt München gefördert und insofern ergibt sich eine sehr enge Zusammenarbeit.
Ist geplant, dass die Messe in München bleibt, oder gibt es auch einen gewissen Wanderimpuls in dem Projekt?
Es wird sich zeigen, wie sich die Messe international etabliert, wie sie wachsen wird, und welche Kooperationspartner wir in Zukunft finden. Die internationale Ausrichtung der Messe ist uns sehr wichtig. Aber nun muss die große weite Welt erst einmal von uns hören: daran arbeiten wir gerade auf Hochtouren.
Wird die Vermittlung von klassischer, auch zeitgenössischer Musik ein Thema sein?
Natürlich wollen wir auch Ansätze der Musikvermittlung mit einbeziehen und es etwa zu einem Konferenzthema machen. Dieses Thema soll auch kontrovers diskutiert werden, da gerade zeitgenössische Komponisten einem offensiven Vermittlungs-Konzept durchaus auch skeptisch gegenüberstehen. Diese Diskussion möchten wir fördern, da wir auch den Horizont über das klassische und romantische Repertoire hinaus auf die Neue Musik, auf experimentelle Formen öffnen wollen. Auch für genreübergreifende Formate sind wir offen. Aber es hängt eben immer davon ab, was wir für Vorschläge bekommen und was sowohl für die Künstler, als auch für die Agenten, Vertriebe und Labels im Moment interessant ist. Vermittlung besteht natürlich nicht nur in Worten, sondern vor allem in Musik: dafür wird es bei den Showcases die Möglichkeit geben. Zwar möchten wir keine Konkurrenz zur Konzertsituation in München sein, das ginge ja gar nicht, aber wir wollen nach Neuem suchen und den Musikern auch Treffpunkte und Kontaktmöglichkeiten nach den Konzerten geben. Zusätzlich wird es auch Video-Showcases geben, bei denen sich größere Ensembles bis hin zu Opernproduktionen präsentieren können, die in unseren Räumen im Gasteig kleinen Platz finden könnten. Es geht darum, Neues zu entdecken und zu präsentieren.
Sind die Showcases in diesem Sinne auch als Spielfeld und Experimentierfläche gedacht?
Ja, unbedingt. Wir suchen nicht nur nach den traditionellen Konzertensembles, sondern auch nach neuen Formaten, neuen Blickwinkel. Wir sind da wirklich sehr offen für neue Vorschläge. Grundsätzlich darf man ja nicht annehmen, dass durch die Entstehung von etwas Neuem zugleich etwas Älteres verschwindet. Dinge können parallel existieren. Wir haben beispielsweise auch Vorschläge von Komponisten bekommen, die heute noch klassisch-romantische Musik komponieren. Man muss da mit Offenheit und Interesse vorgehen. Es ist wichtig, dass die Ohren offen bleiben für alle Richtungen und Stile einer Musik. Wenn man das fördert, entstehen neue Entwicklungsmöglichkeiten. Man sollte nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und fürchten, genreübergreifende Projekte könnten die Hochwertigkeit der klassischen Musik gefährden. Es geht uns um eine gewisse Entdeckerfreude gegenüber neuen Themen und neuen Formaten.
Das Gespräch führte Tobias Roth.
(01/2012)
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