Neun Jahrzehnte Engagement für die Kultur
"Für die Jubiläumssaison haben wir nach etwas Besonderem gesucht"
Das Kulturmanagement des Chemiekonzerns BASF feiert in diesem Jahr einen runden Geburtstag. Seit neunzig Jahren engagiert sich das Unternehmen in der Kultur. Dr. Klaus Philipp Seif ist Leiter der Abteilung Kultur, Sport und Sozialberatung der BASF SE in Ludwigshafen. klassik.com-Autor Dr. Stefan Drees sprach mit ihm über die besondere Programmgestaltung der bevorstehenden Jubiläumssaison und darüber, was die Eigenheiten von gutem Wein mit denen von Orchestern verbindet.
Herr Dr. Seif, nachdem die Konzerte in der vergangenen Spielzeit 2010/11 aufgrund von Renovierungsmaßnahmen in das Theater im Pfalzbau verlagert wurden, wird das BASF-Feierabendhaus mit der Saison 2011/12 wieder eröffnet. Zudem feiern Sie auch ein großes Jubiläum. Was erwartet den Konzertbesucher in dieser Situation?
In der Tat verbindet der Start der neuen Saison zwei ganz besondere Momente: die Wiedereröffnung des Hauses nach anderthalb Jahren der Instandsetzung und den Start unserer Jubiläumssaison. Im November 1921 fand das erste Konzert des Landessinfonieorchesters Pfalz und Saarland, dem Vorläufer der heutigen Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, für unser Unternehmen statt. Im November 2011 wird das Kulturengagement der BASF also 90 Jahre alt. Zu diesem Anlass wird die Dirigentenlegende Georges Prêtre das Feierabendhaus zusammen mit dem Royal Philharmonic Orchestra wieder eröffnen. Wir freuen uns sehr, diesen Dirigenten erstmals bei uns zu Gast zu haben. Prêtre zählt ja zu den ganz Großen seiner Zunft. So dirigierte er zum Beispiel die Eröffnung der Metropolitan Opera in New York oder auch das Neujahres-Konzert der Wiener Philharmoniker. Das Royal Philharmonic Orchestra London wiederum konzertiert bereits zum dritten Mal im Feierabendhaus. Es gibt eine ganz besondere Beziehung zwischen diesem Orchester und unserem Unternehmen: Das Orchester wurde von Thomas Beecham gegründet, und Beecham dirigierte das Konzert, das als erstes weltweit 1936 auf Tonband aufgezeichnet wurde – im BASF-Feierabendhaus.
Welche baulichen Veränderungen erwarten den Besucher dort?
Keine Sorge: Die Besucher werden das Feierabendhaus ohne Zweifel wieder erkennen, denn es wurde ja im Stil des Hauses instandgesetzt. Vor allem die Akustik wird sich jedoch deutlich verbessern. Dazu tragen eine neue Konzertmuschel und auch die neue Decke des Festsaales bei. Eine modernisierte Licht-, Heiz- und Lüftungstechnik werden das Erlebnisniveau des Hauses deutlich steigern.
Welche weiteren Höhepunkte gibt es neben dem Eröffnungskonzert in der Jubiläumssaison?
Der 90. Jahrestag ist Grund genug, in der kommenden Saison einmal zurückzuschauen. Unter dem Titel ‚Sternstunden‘ wollen wir die ganz besonderen Momente in der Geschichte der BASF-Konzerte in Erinnerung rufen. Dazu zählt die legendäre Einspielung des Streichquintetts von Franz Schubert durch das Emerson String Quartet und den Cellisten Mstislav Rostropovich, an die wir im Januar 2012 durch eine Aufführung mit dem Cellisten Nicolas Altstaedt erinnern wollen. Dazu gehört aber auch ein Konzert mit der Kremerata Baltica und dem Geiger Gidon Kremer, die nach ihrem allerersten Auftritt in Salzburg im Feierabendhaus ihre Deutschlandpremiere feierten. Und last but not least zählt zu diesem Reigen auch der Auftritt des Bruckner-Orchesters Linz, das 1992 hier die deutsche Erstaufführung des Violinkonzertes von Philip Glass interpretiert hat.
Während Sie in den vergangenen Jahren mit den vier Konzerten der Reihe ‚The Big Four‘ immer herausragende Interpreten einer Instrumentengattung präsentiert haben, gehen Sie dieses Mal einen ganz anderen Weg und haben unter dem Motto ‚So klingt Europa‘ vier Orchester in den Mittelpunkt gestellt. Welche Idee steckt dahinter?
Auch bei dieser Reihe haben wir für die Jubiläumssaison nach etwas Besonderem gesucht. Daher stehen diesmal nicht die großen Solisten einer Instrumentengattung im Fokus der ‚Big Four‘, sondern vier europäische Spitzenorchester, die die unterschiedlichen Klangtraditionen ihrer Heimatländer verkörpern. Natürlich fragten wir uns, ob es überhaupt nationale Klangfarben und unterschiedliche Interpretationsstile gibt, oder ob die Orchesterlandschaft heute globalisiert ist und keine Unterschiede zu vernehmen sind. Glücklicherweise ist es hier so wie bei einem guten Wein: Er zeichnet sich durch ein ganz eigenes ‚Terroir‘ aus, was man dann beim Orchester als dessen spezifisches kulturelles Umfeld bezeichnen könnte. Das Royal Flemish Philharmonic Orchestra Antwerpen beispielsweise vereint das moderne Orchester mit den Erfahrungen der Interpretation von Alter Musik. In Belgien und Holland begann die Auseinandersetzung mit Originalinstrumentarium und alten Spielweisen schon in den frühen Sechzigerjahren. Zudem werden in beiden Ländern, lange vor entsprechenden Aktivitäten in Deutschland, die Werke von Gustav Mahler intensiv gepflegt. Das State Academic Symphony Orchestra of Russia wiederum pflegt im besten Sinne den russischen Klang: voluminöser Streichersound und große orchestrale Klänge. Ein Ideal für die Musik von Tschaikowsky und Mussorgsky. Und beim noch jungen Orchestra Sinfonica Arturo Toscanini ist man dem Namensgeber besonders verpflichtet und arbeitet regelmäßig mit den größten Dirigenten der heutigen Zeit zusammen, wie etwa Lorin Maazel, Kurt Masur, Zubin Mehta oder Georges Prêtre.
Sie stellen außerdem in der Spielzeit 2011/12 erneut einen bedeutenden Komponisten der Gegenwart vor.
Mit dem 1946 geborenen lettischen Komponisten Pēteris Vasks stellen wir, nach Krzysztof Penderecki in der vergangenen Saison, wieder einen Künstler vor, dessen Musiksprache jenseits von Modernismen das Publikum sehr emotional und direkt anspricht. ‚Mit reinen und leidenschaftlichen Klängen‘, schreibt der Komponist, ‚bemühe ich mich, die Schönheit der Welt zu bezeugen und die Möglichkeit und das Vorhandensein von Harmonie.‘ Insgesamt vier Konzerte enthalten Werke von Vasks, dessen Violinkonzert ‚Fernes Licht‘ bereits 1997 bei uns von Gidon Kremer in deutscher Erstaufführung gespielt wurde. Zum Konzert am 28. November wird Vasks selbst anwesend sein und anschließend auch zu einem Komponistengespräch zur Verfügung stehen.
Neben den etablierten Konzertreihen findet sich diesmal auch eine neu konzipierte Reihe mit dem Titel ‚Chill-out‘ im Programm, mit der Sie den Anspruch erheben, ‚anders Musik zu hören‘. Was muss man sich darunter vorstellen und wie ist die Reihe genau konzipiert?
Mit den Chill-out Konzerten starten wir eine neue Reihe in unserem Konzertprogramm, bei dem wir auf ungewöhnliche Begegnungen von Künstlern und Musikstilen setzen. An einem Abend trifft der klassische Pianist Florian Uhlig auf die Klazz Brothers, die für die Interpretation klassischer Kompositionen in Jazzbesetzung bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Ein weiterer Abend ist dem Thema ‚Liebe‘ gewidmet und bringt Lovesongs aus der Renaissance und aus der Popmusik des 20. und 21. Jahrhunderts zusammen. Beim dritten Konzert treffen ein Streichquartett und ein DJ aufeinander. Das musikalische Ping-Pong-Spiel schlägt die Brücke über die Genres hinweg und lässt Klassikkenner ebenso Neues entdecken wie Pop- und Jazzliebhaber. Während der Konzerte werden die Besucher zudem ausreichend Möglichkeit haben für Gespräche.
Eine lange Tradition hat auch Ihre Sinfoniekonzertreihe.
Die Sinfoniekonzerte mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter ihrem derzeitigen Chefdirigenten Karl-Heinz Steffens sind eine der Säulen unseres Programms und zugleich unsere älteste Konzertreihe, die wir gemeinsam mit der Stadt Ludwigshafen durchführen. ‚Der große Orchesterklang‘ – so ist die Reihe in dieser Saison überschrieben, und dementsprechend stehen wichtige Werke der Gattung Sinfonie oder andere Orchestermusik auf dem Programm: Antonin Dvoráks Sinfonie Nr. 9 ‚Aus der Neuen Welt‘, Igor Strawinskys ‚Le Sacre du printemps‘ oder Richard Strauss’ ‚Ein Heldenleben‘. Mit dem Pianisten André Watts, einem der ganz Großen seines Faches, der vor zwei Jahren in der Reihe ‚The Big Four‘ bei uns nach mehr als zehn Jahren wiederentdeckt wurde, wird das eminent schwierige Zweite Klavierkonzert von Johannes Brahms zu hören sein. Und erstmals bei uns ist das Bruckner Orchester Linz unter der Leitung seines derzeitigen Chefdirigenten Dennis Russell Davies. Neben Philip Glass darf ein authentischer Bruckner, nämlich die Sinfonie Nr. 7, nicht fehlen – übrigens eine Kombination, die wir vor einigen Jahren schon einmal zur Aufführung brachten, als im Feierabendhaus Bruckners Achte Sinfonie und Sätze aus Glass’ ‚Satyagraha‘ erklangen.
Welche Besonderheiten stehen in der Saison 2011/12 im Bereich der Kammermusik auf dem Programm?
Neben den erwähnten Erinnerungen an große Konzertereignisse wird es auch einiges Neues geben, denn wir bemühen uns immer wieder, dem Publikum Besonderes und Exklusives zu bieten. So werden die Klarinettistin Sabine Mayer, ihre Kollegen vom Trio di Clarone, weitere Freunde sowie der Schauspieler Dominique Horwitz ein neues Programm unter dem Titel ‚Die andere Seite der Luft‘ erarbeiten, das bei uns in Ludwigshafen seine Premiere haben wird. Ein weiteres spannendes Konzert können wir von dem Pianisten Ingolf Wunder erwarten. Er ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass wir unser Engagement für junge Künstler auf Nachhaltigkeit anlegen und, wenn wir von ihrer künstlerischen Potenz überzeugt sind, nach einem ersten Konzert in unterschiedlichen Reihen immer wieder mit ihnen zusammenarbeiten: Wunder spielte beim Benefizkonzert im vergangenen November als Gewinner des 2. Preises beim Internationalen Chopinwettbewerb und beeindruckte uns sowohl in Warschau wie bei uns in Ludwigshafen. Daher haben wir ihn in Verbindung mit dem Philharmonischen Streichquintett Berlin gebracht. Dieses Ensemble, das aus Mitgliedern der Berliner Philharmoniker und den Solisten Tatjana Vassilieva (Violoncello) und Nabil Shehata (Kontrabass) besteht, wird auf unsere Initiative hin gemeinsam mit Wunder Chopins Erstes Klavierkonzert in der Originalfassung für Klavier und Streichquintett spielen. Somit hat der junge Künstler den ersten Fuß in der Tür zu den Berliner Philharmonikern, denn es ist eine weitere Aufführung in der Philharmonie Berlin im Gespräch.
Ich habe gesehen, dass es auch für die jüngeren, nicht klassik-interessierten Zuschauer ein interessantes Angebot in Ihrem Jahresprogramm gibt…
…genau. In der Reihe ‚Querbe@t‘, wie unser Angebot für junge Hörerinnen und Hörer heißt, gastiert unter anderen der Singer/Songwriter Philip Poisel im BASF-Feierabendhaus. Der 26-jährige veröffentlichte sein zweites Album ‚Bis nach Toulouse‘ bei dem Label von Herbert Grönemeyer. Für das Konzert wird Poisel erst- und einmalig seine Band um ein klassisches Streichquartett erweitern. Im März 2012 gastiert dann die Fado-Sängerin Ana Moura im Feierabendhaus. Sie zählt zu den jungen Stars der Fadoszene. Mouras Musik ist noch stärker der musikalischen Tradition ihrer portugiesischen Heimat verpflichtet als etwa jene der Fado-Sängerin Mariza, die 2010 bei uns zu Gast war.
Ihr Unternehmen ist nicht nur als Konzertveranstalter, sondern auch als Kooperationspartner und Kultursponsor tätig. Seit einigen Jahren kooperieren Sie zudem mit dem Festival ‚Enjoy Jazz‘. Auf welche Veranstaltung freuen Sie sich in diesem Zusammenhang besonders?
BASF veranstaltet auch in diesem Jahr wieder eigene Konzerte im Rahmen des mittlerweile größten europäischen Jazzfestivals. Mit Pat Metheny und Sonny Rollins gastieren zwei Weltstars des Jazz in der Metropolregion. Allein die 17 Grammies von Metheny sprechen für sich, und Sonny Rollins zählt zu den wenigen noch lebenden Jazzlegenden, die seit den Fünfzigerjahren die Jazzmusik stets weiterentwickelt haben.
Können Sie vielleicht noch ein Wort zu den Höhepunkten aus dem Bereich Tanz verlieren?
Drei Tanzproduktionen von außergewöhnlichem Rang bietet der gemeinsam mit dem Theater im Pfalzbau veranstaltete Ballettring. Erstmals seit dreißig Jahren in Deutschland zu Gast ist das von George Balanchine begründete New York City Ballet. Auf dem Spielplan steht die Deutschlandpremiere von Choreografien zu Werken von Igor Strawinsky, Frédéric Chopin und Peter Tschaikowsky. Mit den Tänzern des Stadttheaters Wuppertal ist erstmals die Compagnie von Pina Bausch zu Gast in der Region. Es ist eines der mittlerweile raren Gastspiele in Deutschland. Auch die vielfach ausgezeichnete Sasha Waltz ist mit ihren Tänzern wieder zu Gast in Ludwigshafen. Sie repräsentiert eine jüngere Generation des Tanztheaters, die ebenfalls eine ganz eigene moderne Sprache von Tanz-Theater entwickelt hat.
Das Gespräch führte Prof. Dr. Stefan Drees.
(06/2011)
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