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Montag, 11. Dezember 2023

Photo: Bert Löwenherz

Gabriele Nellessen über Jugendarbeit, Phantasie und Robert Schumanns Kinderszenen

Kindertheater ist nicht gleich Kindertheater


Im November feiern die Kinderszenen Robert Schumanns im Berliner Konzerthaus eine Premiere: nicht als Werk für Klavier alleine sondern eingebunden in ein Theaterstück von Gotthart Kuppel, das sich besonders an Kinder richtet. klassik.com-Autor Tobias Roth sprach zu diesem Anlass mit Gabriele Nellessen, die das Kinderprogramm "Junior" des Konzerthauses seit 11 Jahren leitet und gestaltend prägt. Das Gespräch drehte sich dadurch nicht nur um die anstehende Inszenierung, sondern auch um die Probleme und Chancen der Jugend- und Kinderarbeit: im Allgemeinen und im besonderen Fall des Konzerthauses.

Die Klage, dass die Jugend sich nicht genügend für die Werke der Älteren oder gar Toten interessieren würde, ist ja so alt wie die europäische Kultur selbst. Sehen Sie momentan eine „bedrohliche“ Situation über dem Normalpegel oder ist es auch heute der Normalzustand, gegen den man arbeiten muss?

Ich glaube nicht, dass sich die Jugend heute mehr oder weniger interessiert als das zu allen Zeiten der Fall war. Aber ich glaube, dass sie inzwischen weniger Möglichkeiten haben, damit in Kontakt zu kommen. Das Profil unseres Bereiches, der Inszenierungen und der Kinderkonzerte, ist, dass auf der Grundlage auch anderer künstlerischer Mittel Musik aller couleur und auch aller Epochen vom Barock bis zur Gegenwart an die Kinder herangetragen wird – und unsere Erfahrung damit ist, dass die Kinder und die Jugendlichen sehr offen reagieren. Ich habe eigentlich noch nie erlebt, dass ihnen etwas nicht gefiel: ganz im Gegenteil. Es gefällt ihnen, ob das Mozart ist oder Purcells Elfenzauber – uralte Musik. Natürlich ist diese Musik in einem Vermittlungskonzept aufgegangen. Wir haben eine Inszenierung gebaut, die die Dinge ausspart, die man Kinder nicht zumuten kann, wie z.B. sehr lange Rezitative, und die auch gar nicht für Kinder gedacht waren. Denn natürlich stammen diese Werke aus einer ganz anderen Rezeptionskultur. Aber die Musik ist original, auch auf alten Instrumenten gespielt – und die wird ohne irgendein Problem von den Kindern aufgenommen. Es gibt eigentlich überhaupt keine Hürden. Seit zehn Jahren haben wir auch ein musikpädagogisches Projekt für Neue Musik, "Open your ears“. Dabei geht es nur um zeitgenössische Musik. Wenn man sich wirklich überlegt und bedenkt, wie diese Musik zu vermitteln ist, wie das Aufeinandertreffen der Musik und der junge Menschen gestaltet wird, dann wird man sehen, dass absolute Offenheit vorhanden ist. Die Situation ist also nicht so dramatisch. Junge Menschen haben sich auch durch die Computer nicht so verändert, dass sie dafür nicht mehr offen wären. Da sehe ich kein Problem.

Aber anderswo?

Das Problem sehe ich darin, dass der kulturelle Bildungshintergrund immer mehr verloren geht. Wenn beispielsweise einfach das Singen als Ritual oder als naturgegebene Möglichkeit, sich zu äußern, überhaupt nicht bekannt ist, dann ist es natürlich ein viel weiterer Weg. Dann muss man ganz andere Hürden überwinden, um auch zu einer eigenen Aktivität zu führen. Das aber hängt mit dem Schul- und Bildungssystem zusammen, und mit dem überwiegenden Angebot, das die Jugendlichen und Kinder konsumieren. Das ist das Problem und auch das Gebot der Stunde an alle Kultur- und Musikinstitutionen, zusätzliche Vermittlungsarbeit zu leisten. Ich bin der Meinung, wenn eine Basisarbeit existiert, wenn jedes Kind über die ganze Schulzeit hinweg einen ordentlichen Musikunterricht hätte, dann würde– so schön die Projekte auch sind – so viel gar nicht notwendig sein. Wir bemerken jetzt, dass das wirklich Not tut.

Es geht also hauptsächlich darum, eine Berührungsfläche herzustellen?

Ja. Das ist eigentlich auch mein Ansatz. In den Kinderkonzerten, die ich seit 11 Jahren konzipiere und auch moderiere, ist das so. Sie können da auch mit einem Satz aus einer Ligeti-Sonate einsteigen. Sie müssen sich nur überlegen: wie vermittle ich das, wie nehme ich Berührungsängste, welche Künstler, die das transportieren können, beziehe ich ein. Das kann ja auch nicht jeder Musiker.

Gerade bei Neuer Musik könnte ich mir denken, dass Kinder fast offener sind als ein älteres Publikum.

Ja, die hinterfragen das nicht so. Da hat man eine Chance, die man bei Erwachsenen oft nicht mehr hat. Die Kinder springen nicht im Konzert auf und verlassen den Saal, sondern lassen sich vorurteilslos auf diese Erfahrungen ein. Schon Jugendliche sind so geprägt und haben so viele eigene Erfahrungen auch im Umgang mit Musik, dass man sehr viel aufklärende Arbeit leisten muss. Dann muss man es flankieren mit Gesprächen, mit Informationen. Bei Kindern ist das gar nicht nötig, die nehmen die Dinge einfach auf. Gerade deswegen ist es wichtig, dass man die Altersempfehlung, die wir ausgeben, auch beachtet. Ein Kindergartenkind hat andere Erfahrungen und ein anderes Aufnahmevermögen als ein Erstklässler. Und natürlich ist ein Kind in der ersten Klasse ganz anders anzusprechen als in der vierten. Das heißt natürlich nicht, dass diese Dinge für die Kleinen nicht auch für Größere funktionieren, bzw. nicht auch für die Eltern funktionieren. Das ist manchmal das Schönste, dass ganz direkt mitgeteilt wird, dass auch viele Eltern und Großeltern für sich selbst diese Programme besuchen. Diese Art der Vermittlungsarbeit betrifft inzwischen auch eine Elterngeneration, bei denen vielleicht Defizite in der kulturellen Bildung vorhanden waren, aus welchen Gründen auch immer. Die sind absolut dankbar, wenn sie auf diese Weise Vermittlung von Musik und Kunst erfahren können. Aber es ist natürlich ein Problem, wenn ich ein kleines Kind in ein Symphoniekonzert von zwei Stunden mitnehme, das ist eine Katastrophe. Vielleicht mag es dann hinterher gar nicht mehr in so ein Konzert gehen.

Copyright Bert Löwenherz

Kann man also sagen, dass der Erfolg eher von der Quantität als an der spezifisch historischen Qualität der Musik abhängt?

Es sind viele Faktoren. Für die Vermittlungsarbeit ist zeitliche Dauer und Quantität wirklich nicht zu vernachlässigen. Es ist vielleicht albern, aber es gibt Proben, in denen ich buchstäblich mit der Stoppuhr sitze. Man kann nicht alles abwägen, gerade wenn man eine szenische Aktion hat. Die will man ja auch ausloten und ausspielen. Aber irgendwann stimmt das Timing für die Kinder nicht mehr. Das ist ein großer Faktor, aber es ist nur einer. Es klingt so klischeehaft, wie es eine zeitlang der Slogan war: „Die Kinder da abholen, wo sie sind.“ Aber das stimmt im Grunde schon. Man muss berücksichtigen, was man überhaupt voraussetzen kann. Auch den sozialen Kontext und seine Mechanismen darf man nicht außer Acht lassen. Jeder weiß ja, dass beispielsweise eine Familienzelle ganz anders funktioniert als eine Klasse. Nach dem Publikum, das man erreichen will, müssen sich dann auch die Konzeption und die Ansprache richten. Das erfordert einfach viel Sensibilität. Ein weiterer Faktor ist das Stück selber. Schumanns Kinderszenen haben wir empfohlen ab 8 Jahren, wobei ich bei Recherchen auch schon Altersempfehlungen „ab 6“ gesehen habe. Aber da diese Empfehlungen natürlich nicht zwingend beachtet werden müssen, und manche Eltern darauf gar keine Rücksicht nehmen und denken „Kindertheater ist Kindertheater“, sind eh’ immer Kleinere dabei.

Das ist quasi die freiwillige Selbstkontrolle der Kinderprogramme.

Ja –auch um sich dann nicht irgendwelchen Vorwürfen auszusetzen. Bei Schumann ist es vor allem in Bezug auf die Textvorlage so. Der Autor Gotthart Kuppel hat damit ein wunderschönes Stück geschaffen. Dieses Theaterstück ist vor über 20 Jahren in München, in der Schauburg, zum ersten Mal aufgeführt worden – und ich glaube, es wird nicht besonders oft aufgeführt. Kuppel hat unglaublich mit Text und Wort gespielt, sodass es manchmal fast schon dadaistische Züge bekommt. Diese Textbasis ist auch der Grund, warum ich das Stück „ab 8“ empfohlen habe. Es ist spielerisch und phantastisch: das ist ja genau das, was die Kinder machen, und was den Erwachsenen über die Zeit oft abhanden kommt. Sie suchen dann nach verschiedenen Wegen, da wieder ein Stück näher zu rücken.

Das schien auch ein Anliegen Schumanns zu sein. Es gibt ja diesen berühmten Satz über die Kinderszenen, sie seien „Rückspiegelungen eines Älteren für Ältere“.

Das ist das Anliegen. Schumann hat die Kinderszenen nicht geschrieben, damit Kinder sie spielen – im Gegensatz etwa zum Album für die Jugend. Natürlich werden manche Stücke aus den Kinderszenen, zum Beispiel die Träumerei, auch im Klavierunterricht gespielt. Einige der nicht ganz so schweren Kinderszenen habe ich auch als Kind gespielt. Aber Schumann hatte das nicht so gedacht und hat das auch Clara in einem Brief so angekündigt. Es geht da wirklich um ein Sich-hinein-Versetzen, um ein Kind-Sein oder Kind-geblieben-Sein. Das ist genau die Qualität Schumanns und einiger anderer Romantiker.

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Die Kinderbegeisterung der Romantiker, zumindest bei den Literaten, entsteht aber doch aus recht vertrackten Gedanken.

Das ist natürlich ein ganz bestimmter Blick auf die Realität, der hier die Basis bildet. Das kennt man auch von den romantischen Dichtern. Bei Schumann kommt noch hinzu, dass er eine sehr behütete Kindheit und ein liebevolles Elternhaus hatte. Da ging es nicht wie bei Clara Wieck und ihrem Vater, oder wie bei Mozart um diese Drillerei. Schumanns Vater war Buchhändler, und daher kommen auch seine starke literarische Neigung und seine eigene literarische Tätigkeit. Er ist mit Büchern groß geworden und hat immer wieder versucht, das umzusetzen. Sich mit Literatur zu befassen ist ja im Grunde auch ein Phantasieren. Ich denke, diese liebevolle Zuneigung, dieses Behütetsein hat sein besonderes Verhältnis zu Kindern geprägt. Das erfahren wir heute noch: wer ein enges Verhältnis zu und einen intensiven Austausch mit seinen Eltern hatte, dem fällt es später leichter Phantasie und Empathie für Kinder zu entwickeln. Da ist in Schumanns Vita eine ganz bodenständige Basis vorhanden. Das andere sind natürlich die vielen Figuren, in die er hinein geschlüpft ist, Eusebius und so weiter, das ist genau das, was wir auch von Jean Paul oder den anderen Romantikern kennen: das Maskenspiel. Auch das ist ein Nährboden für die Kinderszenen. Und das Großartige ist, dass sie in ihrer angeblichen Einfachheit so vollkommen sind, dass es gelungen ist, eine solche Ebene in das Material zu bringen. Diese „kleinen Dinger“ gefallen ihr sehr, hat Clara geschrieben. Dazu kommen auch die Titel, die Schumann vorgibt, darüber haben wir auch mit unseren Schauspielern gesprochen. Das sind Anregungen, die in die Musik eingehen: aber die konkrete Geschichte dieser kleinen Musikstücke macht jeder mit seiner eigenen Phantasie. Der Hörer ist in seiner Phantasie gefragt und die Musik unterstützt das. Ich möchte nicht wissen, wie viele individuelle Interpretationen es für die Träumerei gibt. (lacht) Das ist auch Inhalt und Grundgedanke dieses Theaterstücks: Phantasie und Spiel als Versuch der Umsetzung dieser Phantasie. Bei unseren Kinderszenen handelt es sich ja nicht um eine Bearbeitung dieses Klavierwerkes, sondern um ein eigenständiges Theaterstück. Es geht nicht um eine Interpretation von Stück nach Stück: es geht darum, das phantastische Potential des Werks zu ergreifen.

Wie kann man sich die theatralische Bearbeitung und Rahmenhandlung vorstellen?

Der Plot ist eigentlich einfach und klein. Es gibt drei Partien: zwei davon sind Schauspieler, ein Junge und ein Mädchen. Man ist gut beraten, diese Rollen auch mit jungen Schauspielern zu besetzen, und wir haben zwei entzückende Schauspielstudenten aus der Berliner Universität der Künste. Das Problem ist die dritte Partie, die eines Klavier spielenden Kindes. Denn die Kinderszenen wollen erst einmal gespielt sein, und wenn wir dieses Werk am Konzerthaus ansetzen, kann man natürlich keine musikalischen Abstriche machen. Und diese Partie muss zusätzlich auch noch schauspielern können, und zwar nicht wie ein Musiker, der mal ein bisschen schauspielert. Das ist eine wirkliche Schauspielerpartie. Genau das ist das Problem, und der Grund, warum das Stück so selten gespielt wird. Da muss man letztlich einen Kompromiss eingehen, denn für die Rolle eines Kindes gibt es natürlich eine Kappgrenze, was das Alter des Schauspielers angeht. Der Plot ist, ganz knapp gesagt, dass das Klavier spielende Kind übt, mehr oder weniger lustlos seine Technikübungen absolviert, und frustriert ist, weil es sich dieser Disziplinierung unterwirft. Aus dem Flügel erklingen plötzlich Stimmen, aber das Kind lässt sich anfangs nicht stören, und ist nicht bereit, sich von dieser disziplinierten Tätigkeit abbringen zu lassen.

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Das ist durchaus ein diszipliniertes Kind!

Ja, aber dadurch auch ein sehr geschlossenes Kind. Es lässt nichts an sich ran und traut sich keine Kreativität zu. Im Laufe des Theaterstückes, das etwa eine Stunde dauert, kippt das völlig um. Die Stimmen im Flügel sind der Junge und das Mädchen, der phantasievolle Part. Sie sind ständig am Spielen, mit dem Wort, mit dem Körper, mit Allem, und versuchen das Klavier spielende Kind da hinein zu ziehen, es zu aktivieren. Das wird, wie gesagt, anfangs abgewehrt, aber es gelingt im Verlauf des Stückes. Das Stück endet damit, dass alle drei Kinder im Flügel verschwinden und sich vollständig auf diese Phantasiereise einlassen. Bei dem Spielen, das das Theaterstück füllt, wirkt Schumann immer wieder als Impuls. Die Figuren aus dem Flügel bewegen das Kind, etwas zu spielen, und das bietet die erste Kinderszene an. Das ist die Initialzündung, und das Spiel gewinnt ein Eigenleben. Die Grenzen verschwimmen: manchmal geht das Spiel aus dem Klavierstück hervor, manchmal ist es genau umgekehrt. Die Rahmenhandlung und die Szenerie sind also sehr reduziert, und bestehen hauptsächlich aus dem Imitationsflügel, den wir extra haben bauen lassen. Man muss natürlich auf einem E-Piano spielen, da in dem Flügel mehrere Figuren Platz haben müssen. Solche Reduktionen lassen viel Platz für die Phantasie. Auch die Requisiten sind sparsam. Am Anfang gibt es noch ein Metronom, das für die nötige Disziplin sorgt, und in dem Flügel gibt es noch ein Federbett mit vier Kopfkissen, das ist alles. Alle Phantasiegestalten, die dann entstehen, werden damit erzeugt. Das zieht sich durch alle Ebenen, auch durch den unglaublich lustigen Umgang mit Sprache und verdrehten Sinnbelegungen.

Das heißt, dass das Stück auch in guter romantischer Tradition selbstreflexiv angelegt ist? Es ist doch ein schwieriger Punkt der Kinder-, aber auch der Erwachsenenbildung, wie man den Schritt von der Disziplin und dem Handwerkszeug hin zum freien, phantasievollen Gebrauch dieser Fähigkeiten vollzieht. Diesen „Ellenbogen“ zu gestalten, ist das nicht ein bleibendes Problem?

Versuche gibt es genug! Das hat Rudolf Steiner mit seiner Waldorfpädagogik auch versucht. Es gibt ja die verschiedensten Ansätze, und die Diskussion, ob wirklich das, was unser Bildungssystem vermittelt, der letzte und der beste Weg ist, ist sicherlich deshalb so immer-während, weil es keine Ideallösung gibt. Aber Kompromisslösungen, mehr oder weniger gut. Da muss ich eine Sache erzählen. Das Konzerthaus arbeitet ja auch mit Schulen im Rahmen von Schulpatenschaften zusammen, und eine dieser Schulpatenschaften wurde gerade wissenschaftlich beforscht. Es gab da ein Samba-Projekt, mit einem Lehrer, der ein sehr zugänglicher und guter Partner war. Die Klasse und der Lehrer haben ein Vierteljahr geprobt und dazu auch wöchentlich eine Freizeitstunde investiert – was schon eine Leistung ist. Aber aus dem Bericht der Wissenschaftlerin habe ich jetzt erfahren, dass der Lehrer im Zuge dieses Projekts Noten vergeben hat. Das war nicht sein Wille, er hängt einfach in diesem straffen, zwingenden System. Das wird ihm abgefordert, aber das verändert natürlich den Charakter des ganzen Projekts, und vielleicht schadet es sogar. Das ist doch absurd. Da ist einfach ganz wenig Raum für die Entwicklung von Phantasie und Kreativität.

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Es scheint ja auf der anderen Seite auch zunehmend die Tendenz zu geben, dass Eltern die Note ihrer Kinder einklagen, wenn der Lehrer nachweislich vom Lehrplan abgewichen ist.

Ja, das ist das Dilemma. Ich hab vollstes Mitgefühl für Lehrer, auch wenn ich es oft kritisch sehe. Da gibt es oft überhaupt keinen Spielraum. Lehrer würden und könnten wohl oft vieles ganz anders machen – aber es gibt keinen Platz, von Seiten der Verwaltung und von Seiten der Eltern. Das ist ein Dilemma im Rahmen der Bildungspolitik: und die wird ja gerade nicht in den Schulen gemacht. Aber deswegen ist es auch so schön und so herrlich, dass man in der Kunst, in solchen Projekten und Theaterstücken, ganz frei ist von diesen ganzen Zwängen. Mit Schumanns Kinderszenen wird es auch zwei Schulvorstellungen geben, die in der Woche vormittags angesetzt sind. Da sind auch noch Kapazitäten frei, und ich hoffe, dass das noch voll wird. Denn durch diese Schulvorstellungen erreichen wir auch Kinder, die sonst niemals im Leben ins Konzerthaus kommen würden. Das ist bei den Familienvorstellungen ganz anders, da entscheiden ja die Eltern: „Wir wollen, dass unsere Kinder ins Konzerthaus kommen und Musik hören.“

Da wird schon ganz kräftig das sogenannte „kulturelle Kapital“ angehäuft, oder?

Natürlich. Wenn ich die Kinderkonzerte moderiere und etwas frage, wissen die eigentlich schon alles. Es kommt zwar darauf an, wie man fragt, aber die meisten Kinder haben da schon eine Vorbildung. Bei Schulklassen hingegen kann man viele erreichen, die sonst nie ins Theater oder in ein Konzert gehen könnten oder würden. Das ist die große Chance. Allerdings funktioniert das nur mit und über die Erzieher und Lehrer, die müssen es in die Wege leiten, vorbereiten und den Impuls geben.

Das Gespräch führte Tobias Roth.
(11/2009)

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