
Das Vokalensemble Singer Pur betritt mit zeitgenössischen Stücken und deutschen Volksliedern unausgetretene Pfade, ohne aber den Königsweg des Vokalrepertoires zu vernachlässigen.
"Uns kam es darauf an, dass Komponisten für uns etwas schreiben"
Pure Freude beim Zuhören bereiten die sechs Vokalisten des Ensembles "Singer pur". Mit viel Empfindsamkeit lassen sie die Vokalmusik aus verschiedensten Epochen aufleben. Angefangen von mittelalterlichen Gesängen über Madrigale der italienischen Renaissance, Lieder der Romantik, Dokumente zeitgenössischer Musik bis hin zum Jazz zeigt das Vokalsextett große stilistische Vielseitigkeit. Zugleich kommen alle Hörer voll auf ihre Kosten, die eingefleischten Klassikfreunde ebenso wie die Anhänger zeitgenössischer Musik; und vor allem auch die Liebhaber deutscher Volkslieder, denn mit der ECHO-prämierten CD "SOS - Save our Songs" widmet sich "Singer pur" einem Repertoire, das lange Zeit als verstaubt und altbacken galt. klassik.com sprach mit zwei Ensemblemitgliedern, Claudia Reinhard und Marcus Schmidl, in München über die Anfänge des Ensembles, den Spaß an neuen Tönen, geistliche Wurzeln und die pure Lust am Singen.
Wann begannen ihre gemeinsamen vokalen Abenteuer?
Dann erfolgte noch ein weiterer Umbau in der Sechsergruppe…
Gilt diese Besetzung (eine Vertreterin für die Oberstimme und fünf Herren) auch für die frühe Vokalmusik, oder wechseln Sie hier zu einem Counter?
Die Stufenleiter des Erfolgs haben Sie ja sehr zielstrebig durchschritten.
Gastieren Sie auch im Ausland?
Ihr Repertoire ist stilistisch weit gespannt.
Reinhard: Entscheidend für uns ist der klassische Rahmen. Für diese Art von Musik wird es immer ein Publikum geben, auch wenn sich die aktuelle Finanzkrise in den kulturellen Sektor eingraben sollte. Pop ist nicht unsere Domäne. Um wirklich Geld zu machen, um einen gewaltigen Bekanntheitsgrad zu erlangen, um mit einer Bühnenshow die Zuhörer in den Bann zu ziehen, müsste man sich exklusiv auf dieses Genre spezialisieren. Das können wir nicht, das wollen wir auch nicht, das ist auch nicht unser Metier. Wir lassen uns daher auch nicht auf Pop-Arrangements ein, singen nicht mit dem Mikrofon, nehmen von jeglicher elektronischen Verstärkung Abstand.
Musica antiqua beansprucht einen besonderen Platz im Repertoire.
Was hat sie bewogen, in ihrer CD ‚Memento’ vier Kompositionen des kaum bekannten Komponisten Georges de la Hèle aufzunehmen?
Es scheint, dass Sie auch besonderen Spaß finden an neuen Tönen. Die CD ‚Memento’ verbreitet eine sakrale Aura, zeigt Lust am Besinnlichen, am Meditativen. Was bedeutet Ihnen die Musik des Esten Arvo Pärt, dessen Werke eine würdige Ruhe verbreiten?
Das Programm Ihrer CD „Memento“ widmet sich auch Motetten von Wolfgang Rihm. Was bedeuten Ihnen diese Kompositionen?
Wie beurteilen Sie den Schwierigkeitsgrad bei der Aufführung von Rihm-Werken?
Schmidl: Ich darf noch hinzufügen: Wenn man sich auf diese kunstreich komponierten Kreationen eingelassen und sie einige Male gesungen hat, dann haften sie ganz bewusst im Gedächtnis. Wir könnten die Werke, die uns schon länger begleiten, fast auswendig vortragen. Selbst wenn man ein ganz dickes Stimmengeflecht wahrnimmt und glauben könnte, das präge sich für den einzelnen überhaupt nicht gut ein. Doch da öffnet sich auf einmal eine innere Logik. Es ist faszinierend, wie schlüssig sich die einzelnen Linien herausschälen. Das ist große kompositorische Kunst. So etwas prägt sich tadellos ein. Und wir schätzen den Kontakt mit Wolfgang Rihm sehr - ein sympathischer Typ.
Reinhard: Und noch ein weiterer Aspekt erscheint uns wesentlich. Bei den Rihm-Werken, die wir einstudierten, muss jede Stimme im Ensemble ganz ordentlich ran. Da muss viel gesungen werden.
Fordern nicht gerade zeitgenössische Werke mitunter eine geradezu artistische Virtuosität in der Erkundung neuer vokaler Möglichkeiten?
Reinhard: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Komponisten, die für uns tätig sind, sich eher an die Musica antiqua anlehnen. Sie schreiben eher linear und bieten sehr Gesangliches an, wahrscheinlich weil sie unseren Klang im Ohr behalten. Da bleibt dann wohl Extremes außen vor. Im Übrigen finden Vokalwerke beim Publikum eher Resonanz als zeitgenössische Klänge, die ausschließlich für Instrumente geschrieben sind. Um nochmals auf Wolfgang Rihm zurückzukommen. Man macht schon eine spannende Hörerfahrung, wenn man die Motetten im vokalen Vortrag mit den instrumentalen Zwischenspielen im Rihmschen Zyklus ‚Vigilia’ konfrontiert. Ich glaube, dass gerade die Abwechslung zwischen den gesanglichen Teilen und den extrem anders gestalteten instrumentalen Einschüben spannungsvolle Momente beschert.
Was hat sie eigentlich bewogen, deutsche Volkslieder in einem neuen Arrangement vorzustellen? Der Titel ‚SOS! „Save our Songs’ wirkt ja wie ein mahnendes Signal.
Schmidl: Ich fand die englischen Melodien wunderbar. Und ich wollte einmal eruieren, welche Schätze da im deutschen Liedgut in der Versenkung schlummern. Man muss in diese Materie eintauchen und sich damit beschäftigen, um all die Schönheiten kennen zu lernen. Und jetzt kann sich der Hörer anhand unserer CD ein Urteil bilden. Er hört diese Melodien und mag dann sicher zur Erkenntnis gelangen, dass es bei uns ähnlich zauberhafte Lieder gibt wie die von der Insel.
Reinhard: Ist es nicht so, dass Chöre aus anderen Ländern oft Chorsätze vortragen mit heimischer Folklore, was es in Deutschland leider in guter Qualität kaum gibt? Es existiert bei uns eine große Diskrepanz zwischen dem Volkslied und der Kunstmusik. Dass man diese Gattungen verbinden und auf kunstvolle Weise Volkslieder vortragen kann, war für uns ein besonderes Anliegen.
Schmidl: Mich hat damals eine Aufnahme mit Volksliedern in der Wiedergabe durch Hermann Prey begeistert. Diesem Sänger haben wir viel zu verdanken. Es gibt wundervolle Bearbeitungen von Volksliedern, die Johannes Brahms hinterlassen hat und die Prey immer wieder in seine Liedprogramme aufgenommen hat.
Wo treten Sie als kammermusikalisch vokale Formation auf? Treten Sie in etablierten Konzertreihen auf?
Sie sind ein hoch professioneller Chor. Ist das für Sie ein Full-Time-Job? Oder Engagieren Sie sich noch in anderen Formationen, etwa in großen Konzert- oder Opernchören?
Schmidl: Noch ein Hinweis, was die Auslastung unseres Teams betrifft. Da gibt es im Umfeld eine Menge an Arbeiten zu bewältigen. Wir überlegen ernsthaft, ob wir nicht all die organisatorischen Dinge in die Hände einer anderen Kraft legen sollten, um uns von den administrativen Dingen zu entlasten. Wenn noch mehr Konzerte hinzukämen und sich die Anfragen häufen sollten, dann wäre dies wohl unabdingbar.
Reinhard: Natürlich stehen wir exklusiv bei einer Agentur unter Vertrag. Die kümmert sich um die Akquisition, führt die Vertragsverhandlungen durch. Freilich laufen so manche Kontakte auch erst über die Gruppe und werden dann an die Agentur weitergeleitet. Doch was künstlerische Inhalte, was Programmgestaltung betrifft, also all die konzeptionellen Aspekte, angefangen vom Website-Aktualisieren, Verschicken von CDs und Reiseplanung, da kommt doch eine Menge zusammen, auch wenn wir diese administrativen Dinge arbeitsteilig auf mehrere Köpfe verteilen.
Schmidl: Und nicht zu vergessen: Wir müssen stets darauf achten, die Stimme in Schuss zu halten. Dafür muss immer Zeit bleiben. Nur so bleiben wir künstlerisch in Form.
Deutschland steckt in der Rezession. Die Finanzkrise ist überall angekommen. Das könnte auch Folgen haben für den kulturellen Sektor. Müssen Sie um die Zahl Ihrer Auftritte bangen?
Schmidl: A propos Gedenkfreudigkeit… Wir werden Programme entwerfen, die vokale Werke von Felix Mendelssohn-Bartholdy zu Wort kommen lassen. Unsere nächste CD wird romantisch orientiert sein, und zwar in einem gemischten Programm, das Werke von Mendelssohn und Schumann enthält. Im Übrigen steht noch ein weiteres Projekt an, und zwar eine Doppel-CD mit Musik von Adrian Willaert. Von dem einst an San Marco in Venedig wirkenden Komponisten gibt es eine Sammlung ‚Musica Nova’, die l559 in Venedig in Druck erschien. Sie wird im nächsten Jahr 450 Jahre alt und besteht zur Hälfte aus Madrigalen und Motetten. Der im ungewöhnlichen Hochformat erschienene Druck gilt als einzigartiges Denkmal für Willaerts Ansehen, insbesondere für sein umfangreiches Repertoire. Der Komponist hat ja zu allen maßgeblichen Gattungen seiner Zeit gewichtige Beiträge geliefert.
Sie sind ein weit gereistes Ensemble. Wie gestalten Sie Ihre Konzertprogramme, wenn Sie dieser Tage in Südamerika (Kolumbien) auftreten? Fühlen Sie sich als musikalische Botschafter, um den Zuhörer nicht nur kunstreiche Klänge aus Vergangenheit und Gegenwart vorzuführen, sondern auch mit deutschen Volksliedern zu erfreuen?
Das Gespräch führte Prof. Egon Bezold.
(12/2008)
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