"Das Reichsorchester" beleuchtet die historische Schattenseite der Berliner Philharmoniker
"Wir waren kein Nazi-Orchester!"
Spätestens seit dem überwältigenden Erfolg von "Rhythm is it!" vor drei Jahren ist der Dokumentarfilmer Enrique Sanchez Lansch nicht nur in Fachkreisen ein hoch geschätzter Produzent, Autor und Regisseur. Sein Hauptinteresse gilt vor allem dem dokumentarischen Musikfilm für Kino und Fernsehen. Nach vierjähriger Recherche- und Produktionszeit erschien dieser Tage sein neuestes Werk "Das Reichsorchester", in dem sich Sanchez Lansch der bisher unaufgearbeiteten Geschichte der Berliner Philharmoniker während der Herrschaft des NS-Regimes in den Jahren 1933 bis 1945 widmet. Entstanden ist ein sensibles Portrait über einen lange tabuisierten Abschnitt deutscher Musikgeschichte, das ohne erhobenen Zeigefinger und vordergründige Anklagen auskommt. Im Gespräch mit klassik.com Redakteur Felix Hilse berichtet der gebürtige Spanier über die Herausforderungen und Hindernisse eines solchen Projektes, die Zerstörung von Vaterbildern und das Fehlen notwendiger Schlussfolgerungen.
Herr Sanchez Lansch, nach ‚Rhythm is it!’ ist Ihr neuester Dokumentarfilm ‚Das Reichorchester’ bereits die zweite filmische Arbeit über die Berliner Philharmoniker. Wie sind Sie zu diesem etwas ungewöhnlichen Projekt gekommen? Im August diesen Jahres erschien ebenfalls das Buch von Misha Aster ‚Das Reichsorchester’…
Richtig, aber das gab es ja zu Projektbeginn noch nicht. Wir haben beide parallel an unseren individuellen Projekten gearbeitet und uns dabei auch intensiv ausgetauscht. Kennen lernten wir uns schon vor über 4 Jahren. Und so lange habe ich an meinem ‚Reichsorchester’-Film auch gearbeitet.
Sie haben ja eine gewisse Erfahrung mit Projekten über die Berliner Philharmoniker.
Genau, seit „Rhythm is it!“ gibt es eine gewisse Nähe zum Orchester. Ich habe nach diesem großen Projekt die Jugendarbeit der Philharmoniker weiter begleitet; mal mit Kamera und mal ohne. Das waren zwei sehr intensive Jahre, in denen ich mit den Musikern immer wieder ins Gespräch kam. So sprachen mich die beiden Kollegen an, die sich um das historische Archiv der Philharmoniker kümmern, weil sie gemerkt hatten, dass die Zeit zwischen 1933 und 1945 nie in irgendeiner Form aufgearbeitet worden war. Sie erzählten, dass sie einen jungen kanadischen Studenten gebeten hatte, diesen historischen Abschnitt zu erforschen. Er wolle auch ein Buch darüber schreiben. Da heute nur noch zwei ehemalige Musiker des Orchesters aus der NS-Zeit lebten, fragten sie, ob man nicht wenigstens diese interviewen und die Gespräche auf Video festhalten könne.
Es ist schon erstaunlich, dass dieser Abschnitt der Orchestergeschichte bisher unbeackert geblieben ist.
Das dachte ich auch und wollte es erst gar nicht glauben. Ich habe mir dann die einschlägige Literatur und die vielen Filmprojekte, die es gibt, angeschaut. Da fand ich immer wieder Beiträge zu Wilhelm Furtwängler und andere Spitzengrößen des Musiklebens im Dritten Reich. Doch nie hatte sich jemand mit einem Orchester, mit einem Kollektiv in dieser Zeit befasst. Selbst die Berliner Philharmoniker, die ja schon im besagten Zeitraum das vielleicht beste Orchester Deutschlands waren und bekanntermaßen zu Propagandazwecken eingesetzt wurden, waren von den Historikern weitestgehend unabgetastet geblieben.
Dass heißt also, der Anstoß zum Projekt kam nicht aus der Führungsebene der Stiftung Berliner Philharmoniker, sondern von den Orchestermusikern selbst?
Ganz genau, es waren diese beiden Musiker aus dem Orchester, die beide auch aus zwei verschiedenen Generationen stammten; der eine steht kurz vor der Pensionierung und der andere ist in der Mitte seines Orchestermusikerlebens.
Für wen haben Sie diesen Film gemacht? Es klingt ein wenig so, als sollten diese Interviews primär dem Zwecke der Archivierung dienen.
Zunächst war dies auch das Anliegen der Berliner, doch war mir schnell klar, dass es nur Sinn macht, wenn man daraus einen richtigen Film kreiert, der an die Öffentlichkeit muss. Wie bei großen Projekten üblich, dauert es dann natürlich eine Weile bis man das richtige Konzept, die Finanzierung, die notwendigen Daten und eine Auswertungsstrategie hat. Dazu kommt, das sehr aufwendige Sammeln von Materialien, die den Film inhaltlich tragen. An die beiden Zeitzeugen zu gelangen, also Johannes Bastiaan und Erich Hartmann, war einfach. Aber schon die Kindergeneration zu erreichen, oder gar die Nachkommen der jüdischen Mitglieder des Orchesters ausfindig zu machen, das war unglaublich schwierig und sehr zeitaufwendig.
Ist die Stiftung Berliner Philharmoniker in diese Produktion involviert?
Als Geldgeber ist sie es nicht. Das war mir sehr wichtig, auch weil ich nirgendwo in der Presse lesen wollte, dass der Film so oder so geworden sei, weil die Philharmoniker ihn bezahlt hätten. Unabhängigkeit war mir in diesem Fall wichtiger, als eine problemlose Finanzierung des Films. Die Stiftung hat natürlich ein großes Archiv, in dem sehr wertvolle Bilddokumente lagern, zu denen ich Zugang hatte. Eine wunderbare Archivarin hat mir dabei sehr geholfen.
Wie sind Sie vorgegangen, um die Kindergeneration zu erreichen? Bei den nicht ausgewanderten Musikern mag das noch recht einfach gegangen sein. Doch bei Musikern, die in die Emigration gingen, stelle ich mir das sehr kompliziert vor.
Um beispielsweise John Schuster, der ja heute auf den Virgin Islands lebt, aufzutreiben, musste ich im Grunde kriminologisch vorgehen. Dadurch, dass sein Vater Joseph Schuster nach der Emigration ein weltweit gefeierter Solist wurde, konnten wir zumindest seine Konzertorte ausfindig machen und immer wieder Musiker auftreiben, mit denen er zusammen gespielt hatte. Doch die Kommunikation mit Übersee kann ernorm langwierig und kompliziert sein. Nicht jede Quelle erwies sich in der Praxis als verlässlich und nicht jeder Kontakt wollte helfen. Letztlich hat uns ein Zufall geholfen; plötzlich gab es bei Wikipedia einen Eintrag zu Joseph Schuster. Wir konnten herausfinden, von wem dieser stammte, nämlich von Schusters Sohn John.
Und dieser konnte Ihnen dann viel aus dem Leben seines Vaters berichten...
Nun, leider nicht. Im Email-Verkehr hat sich heraus gestellt, dass er Jahrgang 1944 ist und daher die Zeit der Emigration gar nicht miterlebt hatte. Dazu kam, dass die Vätergeneration der Emigranten sich offenbar genau so verhalten hatte, wie hier in Deutschland: Sie erzählte über die Nazi-Zeit zu Hause nichts. John Schuster sagte uns, dass sein Vater über die Berliner Zeit nie wirklich gesprochen hatte. Der Glücksfall war aber, dass sein Vater ihm 11 Umzugskartons hinterließ, in denen er Fotos, Programme, Artikel und Rezensionen aufbewahrte, mit Hilfe derer wir ein umrisshaftes Bild seine Berliner Zeit zusammensetzen konnte.
Wie offen gegenüber dem Projekt waren die Personen, die Sie zu Recherchezwecken kontaktierten? Gab es Widerstände, vor allem von Seiten der Nachkommen, deren Väter durchaus zu den aktiven Nationalsozialisten zu zählen sind?
Ich muss sagen, insgesamt habe ich viele positive Erfahrungen gemacht. Nichts desto trotz war es für einige Nachfahren sehr hart, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen. Besonders in den Fällen, wo die Väter nicht über diesen Lebensabschnitt gesprochen hatten, weil sie eine engagierte Nazi-Mitgliedschaft zu verbergen hatten. So war es für Familie Buchholz beispielsweise besonders enttäuschend, da ihr Vater ja nicht nur ein engagierter Anhänger des Nationalsozialismus war, wie seine selbstgeschriebenen Protokolle zeigen, sondern im Anschluss in der sozialistischen DDR ein anderes System unterstützte - beides ist ja ideologisch kaum vereinbar. Es gab Kinder, die sich offensiv mit der Vergangenheit ihrer Väter auseinander gesetzt hatten und den dunklen Seiten der Geschichte offen ins Auge schauten, und es gab Kinder, bei denen nach der Konfrontation mit der bis dato unbekannten Vergangenheit der Väter ein Familienbild schmerzhaft zusammenbrach.
„Waren die Berliner Philharmoniker ein Nazi-Orchester?“ - diese Frage verneint Erich Hartmann gleich zu Beginn des Films sehr energisch. War dies auch die Einstiegsfrage, mit der Sie die beiden Zeitzeugen Eingangs konfrontierten?
Nein, absolut nicht. Ich bin viel neutraler vorgegangen und habe in aller Ruhe die Vorgeschichte erst einmal rekonstruieren wollen. Interessanter Weise sind wir ganz organisch bei Herrn Hartmann und bei Herrn Gerhard, der ja auch mehrfach im Film darauf hinweist, dass die Philharmoniker kein Nazi-Orchester gewesen seien, zu dieser Frage gelangt. Im Verlauf der Interviews haben sie sich praktisch diese Frage selbst gestellt und beantwortet. Je weiter sich das Projekt entwickelte, je mehr Mosaikteilchen wir umgedreht und eingepasst hatten, desto mehr ließen unsere Gesprächpartner auch an Selbstreflektion zu.
Hatten Sie den Eindruck, dass es Herrn Bastiaan und Herrn Hartmann ein dringendes Anliegen war, diese dunkle Seite der Orchestergeschichte, und damit auch ihrer eigenen Musikergeschichte, aufzuarbeiten?
Das war recht unterschiedlich. Bei Herrn Bastiaan hatte ich das Gefühl, dass er 55 Jahre gebraucht hat, bis dieses Thema zur Sprache kommen konnte. Doch jetzt ist er soweit, dass er darüber offen reden möchte. Mir haben einige Menschen, die ihn schon lange kennen, gesagt: „Vor zehn Jahren hätten Sie diesen Film nicht machen können.“ Das war für mich sehr interessant, weil ich zu Beginn des Projektes immer dachte: ‚Mensch, hätte ich doch den Film vor 20 Jahren gemacht; da hätte ich vielleicht 15 Zeitzeugen anstatt zweier befragen können.’ Nun wurde mir klar, dass dies ein Irrtum war, weil die Musiker damals noch gar nicht bereit gewesen wären, so offen über diese Zeit zu berichten.
Es hat mich sehr verstört, dass einige Gesprächspartner im Film immer wieder betonen, dass Musiker a-politische Menschen seien, die nur musizieren wollen - als wäre Musik eine unpolitische Angelegenheit. Sogar Hellmut Stern, der als Kind die Emigration erlebte, berichtete, dass ihn die Vergangenheit des Orchesters nach seiner Aufnahme 1961 nicht interessierte, da es das Größte war, in diesem Klangkörper spielen zu können. Speziell bei Herrn Bastiaan und Herrn Hartmann vermisse ich ein wenig die Erkenntnis, nicht nur Musiker, sondern dadurch auch aktiver Teil des NS-Regimes gewesen zu sein.
Diese Schlussfolgerung fehlt auch. Bei Herrn Bastian gibt es leichte Anklänge, dass nicht alles richtig gewesen sein kann. Er schämt sich ja gegenüber denen, die zur Front hatten gehen müssen, er schämte sich ja ein wenig für die Privilegien, die er bis zu Kriegsende gegenüber der herkömmlichen Bevölkerung genoss. Es ging aber nicht so weit zu sagen: Wir waren Teil dieser Propaganda, die allen erzählt hat, der Krieg ist gar nicht so schlimm und auch noch gewinnbar. Für Herrn Hartmann, ist diese Erkenntnis noch ein ganzes Stück weiter entfernt. Herr Hartmann ist eine Seele von Mensch, die mit Sicherheit nicht ein bisschen mit den Nazis sympathisiert hat. Aufgrund seiner eigenen Kriegserfahrung hätte man denken können, dass er aus heutiger Sicht den größeren Realitätssinn für die damalige Situation mitbringen würde. Doch auch für ihn war es das Größte, in diesem Orchester zu sein - dem wurde alles andere untergeordnet. Es war mir auch sehr wichtig, die Sicht von Herrn Stern diesbezüglich zu zeigen, weil sie aus meiner Sicht etwas überraschend deutlich macht, dass auch bei einem Mitglied der Opfergeneration der Wunsch nach historischer Aufarbeitung nicht stark ausgeprägt war, sondern der Fokus auf die musikalische Arbeit im Orchester gelegt wurde.
Haben Sie vorsätzlich auf eine Kommentierung aus dem Off, auf einen Sprecher mit ordnender Funktion im Film verzichtet?
Ich sehe selbst immer wieder sehr viele Filme, wo ganz schnell klar ist: das sind die Guten und das sind die Bösen. Man sitzt gemütlich im Sessel und weiß genau, wen man verurteilen muss. Aber das ist eine Art Film, die ich nicht machen wollte. Vieles lässt sich doch aus dem Film selbst ableiten. Denken Sie nur an die ständige Kontrastierung von Aussagen: Sie haben bspw. die Aussagen von Herrn Bastiaan und Herrn Hartmann, denen wir dann Dokumente der Zeit gegenüberstellen, die teilweise diametral oder konterkarierend zum Berichteten stehen. Immer wenn wir einen Sprecher aus dem Off haben, oder einen Experten, der uns das Gesehene einordnet, wird uns das Denken abgenommen. Ich wollte einen Film für Zuschauer machen, die selbst in die Materie und ihre Vielschichtigkeit eindringen wollen, und nicht für die Menschen, die einfach nur wissen wollen was ist weiß und was ist schwarz.
Die Person Wilhelm Furtwängler wird im Film immer wieder nur kurz erwähnt, nicht jedoch intensiv behandelt…
Auch das geschah mit voller Absicht. Über Furtwängler gibt es einfach schon sehr viel und es machte keinen Sinn, mehr auf die Person in diesem Film einzugehen. Natürlich berichten die Gesprächspartner immer wieder mit leuchtenden Augen von ihm, stets völlig ungefragt - doch bezogen sich die Bemerkungen vornehmlich auf musikalische Dinge.
Wie sind sie an das umfangreiche Original-Filmmaterial gelangt, das in ihren Film Eingang fand?
Das sind zum einen Filme, die im Bundesfilmarchiv liegen und allgemein bekannt waren, zum anderen sind Beiträge dabei, die im gleichen Archiv liegen doch bisher weitestgehend unentdeckt blieben. Hinzu kommen Filmaufnahmen, wie die aus der Familie des Geigers Carl Höfer, der mit viel Liebe Episoden aus dem Familien- und Berufsleben schon damals auf Zelluloid bannte.
Gab es ein besonderes Konzept bei der Auswahl der Musikbeispiele des Films?
Ich habe mich sehr darum bemüht einen Querschnitt dessen wiederzugeben, was in dieser Zeit tatsächlich das Repertoire der Berliner Philharmoniker war. Das waren die Werke von Richard Wagner, Richard Strauss, Anton Bruckner und vor allem Beethoven, Beethoven und immer wieder Beethoven - zu jeder nur denkbaren Gelegenheit. Es verwundert also nicht, dass Herr Hartmann berichten konnte, dass selbst ein Stromausfall während eines Konzertes das Orchester in einer Beethoven-Sinfonie nicht aus der Bahn werfen konnte und man einfach im Dunklen weiterspielte.
Wie ist der Film von den Berliner Philharmonikern aufgenommen worden?
Sehr gut! Ich habe ihn in einer internen Vorstellung den Vorständen und der Intendantin des Orchesters gezeigt, die begeistert waren und ehrlich zugaben, nicht geglaubt zu haben, dass man aus diesem Thema einen spannenden Film machen könne, der über 90 Minuten trägt. Das hat sich sehr schnell im Orchester herumgesprochen, so dass zur Premiere erstaunlich viele Orchestermitglieder kamen. Gerade im Vergleich zu ‚Rhythm is it!’ schien mir das Interesse an dem Film bei den Orchestermusiker viel größer zu sein. Auch mit der Besucherzahl in den Kinos, wo unser Film läuft, können wir sehr zufrieden sein. Mir wird immer wieder berichtet, dass das Publikum dort am Ende sogar Beifall spendet. Das macht mich schon ein wenig stolz.
Wird es in naher Zukunft noch andere Musikfilme aus Ihrer Hand zu sehen geben?
Ich habe zufällig bei Arthaus Musik derzeit noch zwei Projekte, die jetzt in ziemlicher Nähe zum ‚Reichsorchester’ erscheinen werden. Das eine ist ein Film, den ich schon Anfang des Jahres fertig gestellt hatte und den wir jetzt auf den Markt bringen können. Es handelt sich dabei um einen Zweiteiler - zwei mal eine Stunde - zum Thema Rachmaninow und das Altern. Wir haben gemeinsam mit Semyon Bychkov und dem WDR Sinfonieorchester einen Film gemacht, in dem der Musikerberuf aus der Sicht verschiedener Musikergenerationen im Orchester gezeigt wird. Hier erzählen Musiker auf einer sehr persönlichen Ebene, wie das Leben im Orchester in verschiedenen Lebensabschnitten ist. Ein Bezug zu Rachmaninow besteht dadurch, dass seine beiden Werke ‚Die Glocken’ und die ‚Symphonischen Tänze’ aufgeführt werden. ‚Die Glocken’ haben ja schon rein textlich einen deutlichen Bezug zu den verschiedenen Abschnitten des menschlichen Lebens, und die ‚Symphonischen Tänze’ sind nicht nur das letzte Werk Rachmaninows, sonder hatten auch ursprünglich die Satzbezeichnungen: Mittag, Abend, Mitternacht - ein deutlicher Bezug zum Thema Altern also.
Und worum geht es im zweiten Projekt?
Das war eine Sache, die mich etwas überraschend erreichte. Christa Ludwig begeht ja nächstes Jahr ihren 80sten Geburtstag und erhält aus diesem Anlass auf der Midem in Cannes den Midem Classical Award für ihr Lebenswerk. Aus diesem Anlass hatte Herr Stürzer von Arthaus Musik die schöne Idee, etwas mit Christa Ludwig zu veröffentlichen. Sie schlug vor, einen vor vielen Jahren entstandenen Videomitschnitt eines Winterreise-Zyklus’ heraus zu bringen. Zufällig habe ich damals diese Aufnahmen betreut, so dass ich mich jetzt auch um die Veröffentlichung auf DVD kümmere.
Sie selbst kommen ja keineswegs aus unmusikalischen Kreisen, sondern haben selbst Gesang studiert…
Das stimmt. Ich kann daher auch nachvollziehen, wie sehr man als Musiker manchmal die Fähigkeit braucht, Dinge auszublenden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Und genau deshalb, sind Musiker eben alles andere als unpolitische Menschen.
Warum sind Sie nicht Sänger geblieben?
Ich denke, das lag weniger an meinen sängerischen Fähigkeiten als Bassbariton. Mit Mitte zwanzig wurde mir klar, dass ich eher der Typ Mensch bin, der insgesamt Dinge gestalten möchte, der konzeptionell denkt, der gerne im Team eine ganze Gruppe zu einem bestimmten Ziel führt. Das sind jedoch Fähigkeiten, die für einen Sänger nicht immer förderlich sind. Gegen Ende des Studiums merkte ich immer öfter, dass ich viel lieber der Sänger und der Regisseur einer Produktion gewesen wäre. Das Konfliktpotential können Sie sich sicher vorstellen. Da ich mir schon früh durch kleine Jobs beim Fernsehen mein Studium finanzierte, hatte ich dort erkennen können, dass die Filmbranche eine gute Alternative für mich darstellen würde. Es war der absolut richtige Schritt; doch vom handwerklichen Rüstzeug meines Gesangstudiums profitiere ich immer noch.
Das Gespräch führte Frank Bayer.
(12/2007)
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