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Mittwoch, 27. September 2023

Kein Freund klassischer Klingeltöne - der Geiger Thorsten Janicke

Konzentration auf Musik


Thorsten Janicke sorgte bereits als junger Musiker in der ehemaligen DDR für Furore. Mit 24 Jahren wurde er vom Rundfunksinfonie-Orchester Leipzig zum Ersten Konzertmeister berufen, sechs Jahre später triumphierte er beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München. Grund genug für klassik.com, den Geiger zum Online-Interview mit unseren Lesern einzuladen, um mehr über seinen Werdegang und seine musikalischen Vorlieben zu erfahren.

Wie kommt das Orchester mit James Conlon aus? Wird er Köln über 2002 hinaus erhalten bleiben?

Das Orchester kommt sehr gut mit Herrn Conlon aus. Ich hoffe, er wird auch über das Jahr 2002 hinaus mit uns musizieren.

Was halten Sie davon, wenn klassische Stücke in Pop/Rockmusik eingearbeitet werden?

Ich bin nicht uneingeschränkt dafür. Ich denke, es kommt darauf an, wie das Ganze gemacht ist. Aber es ist sicherlich gut, genre-übergreifende Verbindungen zu erstellen weil es allgemeine Offenheit fördert.

nervt Sie 'klassisches' Handyklingeln?

Das ist Geschmacksache. Ich benutze es nicht.

Gab es ein einschneidendes Erlebnis in Ihrer musikalischen Laufbahn, das Sie besonders beenflusst hat?

Die Begegnung mit Wolfgang Marschner Mitte der 80er Jahre in Freiburg und ein Konzert mit dem Schweizer Festspielorchester unter Wolfgang Sawallisch im Jahre 1995. Besonders beeindruckte mich, mit wie wenig körperlichem Einsatz Sawallisch fähig ist, fesselnde Musik hervorzubringen.

Wer sind Ihrer Meinung nach die besten Geigenlehrer?

Es gibt viele sehr gute Lehrer.

Wie beurteilen Sie das kulturelle Angebot, bzw. die Musikszene in Köln?

Sehr gut was in der Kölner Philharmonie passiert. Es fehlt der Stadt ein Kammermusiksaal.

Wie stehen Sie zu dem Starkult, der um manche Künstler betrieben wird?

Es ist eine sehr traurige Zeiterscheinung. Es liegt wohl aber daran, dass wir suggeriert bekommen, dass wir Stars benötigen. Ein Star wird gemacht und häufig vergessen wir dabei die Konzentration auf die Musik.

Warum sind die Frauen in Orchestern Ihrer Meinung nach immer noch in der Minderzahl?

Das ist im Moment aufgrund alter Traditionen noch so, wird sich aber künftig ändern und es hat sich schon sehr geändert.

Wie viele Dirigentinnen kennen Sie?

Drei.

Hören Sie lieber Live-Mitschitte oder Studioaufnahmen?

Natürlich Live-Mitschnitte.

In welchem Konzertsaal spielen Sie am liebsten?

... natürlich in der Kölner Philharmonie. Man befindet sich dort in einem akustisch faszinierenden Saal mit einem musikalisch anspruchsvollen Publikum.

Was ist Ihr Lieblingswerk?

Ich habe kein Lieblingswerk. Es gibt eine Vielzahl an Werken, die mich immer wieder faszinieren.

Haben Sie Lampenfieber vor einem Konzert?

Zum Glück ja.

Finden Sie es in Ordnung, wenn auf CDs nur einzelne Sätze eines Gesamtwerks eingespielt werden?

Nein. Das ist in meinen Augen Verstümmelung.

Inwiefern unterscheidet sich das Gürzenich-Orchester von anderen Orchestern?

Durch eine besondere menschliche Wärme.

Sind Sie lieber Orchestermusiker oder Solist?

Eines bedingt das andere. In der Gemeinschaft Musik zu machen fördert die Fähigkeit sich als Solist weniger alleine zu fühlen.

Welche Qualitäten muss ein guter Musikpädagoge haben?

Er muss die Qualitäten und die Fähigkeiten des Schülers erkennen und aus diesen Möglichkeiten das Beste formen und nicht unbedingt seine eigene Klangvorstellungen aufzwingen.

Von wem haben Sie am meisten gelernt?

Von meinem langjährigen Lehrer Prof. Heinz Rudolf und vom musikalischen Leben, der Praxis.

Wenn Sie Angebote von anderen Orchestern bekommen, um dort zu gastieren, nach welchen Kriterien wählen Sie aus?

Nach der künstlerischen Qualität des Orchesters und die vorhandene Begeisterung.

Sie haben eine CD mit dem Violinkonzert und der Sonate für Violine und Klavier von Richard Strauss gemacht. Welche anderen Werke würden Sie gerne aufnehmen?

Henze und Szymanowski Violinkonzert Nr.1, Bruch Violinkonzert Nr.1 und Nr.3 sowie Mozarts Mannheimer Sonaten.

Mit welchem Musiker würden Sie gerne zusammenarbeiten?

Wolfgang Sawallisch, John Eliot Gardiner und Nikolaus Harnoncourt als grosse Dirigenten. Mit Rudolf Buchbinder und Yo-Yo Ma würde ich auch gerne einmal musizieren, z.B. Beethovens Tripelkonzert. Und natürlich mit meinen Kollegen. ;-)

Woran erkennt man künstlerische Begabung?

Das ist ein sehr vielschichtiges Thema, z.B. motorische Fähigkeiten, der Wunsch, sich auszudrücken und viel Fantasie. Das in der richtigen Kombination ist eine wichtige Voraussetzung.

Haben Sie musikalische oder andere Vorbilder?

Ein musikalisches Vorbild ist für mich auf alle Fälle David Oistrach wegen seiner Ehrlichkeit in der Musik.

Was halten Sie von kommerzieller Musik (Popmusik) und welche Bands/Sänger/Formationen schätzen Sie?

Ich finde es klasse, dass es das gibt. Kenne mich in diesem Metier aber nicht gut aus.

Wie sehen Sie die Zukunft der klassischen Musik?

Sehe ich grundsätzlich nicht gefährdet. Allerdings muss man zum einen sich überlegen wie man vom Orchester her z.B. Nachwuchs rekrutiert und zum anderen vermisse ich von der Politik eine Haltung die vermittelt, dass Kunst, Kultur und Musik wesentliche Bestandteile unseres Lebens sind.

Welcher Komponist verdient Ihrer Meinung nach mehr Aufmerksamkeit?

Da gibt es sicher einige. Einen einzelnen zu nennen ist unmöglich.

Weigern Sie sich, bestimmte Komponisten zu spielen, und wenn ja welche?

Ich weigere mich dann, wenn das Instrument missbraucht wird. Z.B. als Schlaginstrument. Eine Geige ist ein Streichinstrument und sollte als solches benutzt werden.

Würden Sie Ihre Kinder in dem Wunsch eine musikalische Laufbahn einzuschlagen unterstützen?

Ja. Wenn sie wirklich begeistert sind und die nötige Begabung aufweisen.

Hören Sie privat viel klassische Musik?

Nein, da ich tagsüber ausreichend mit klassischer Musik beschäftigt bin. Ich höre aber sehr gerne Jazz, das Ohr muss frisch bleiben. ;-)

Haben Sie einen Lieblingskomponisten, -schriftsteller?

Nein, weil der Reiz liegt für mich in der Abwechslung.

Wann war für Sie klar, dass Sie Musiker werden wollten?

Etwa mit 10 oder 11 Jahren.

Durch Ihre rege Konzertätitgkeit sind Sie viel inder Welt herumgekommen. Gibt es einen Ort/Stadt/Land, wo es Ihnen besonders gut gefällt?

In Dresden. Aus alter Tradition. Kultur hat dort einen extrem hohen Stellenwert dort.

Wie gefällt IHnen Köln? Vermissen Sie Dresden?

Nein, ich vermisse nicht Dresden, da ich sehr häufig dort bin. In Köln fühle ich mich wohl, bietet es mir doch hervorragende Arbeitsbedingungen.

Viele Menschen betrachten Musik als ihr Hobby. Was sind Ihre Hobbys?

Musik, nochmal Musik, Freunde, Sport, Reisen.

Was interessierte Sie an diesem Internet-Event?

Die Fragen. Das, was für andere Menschen interessant und wichtig ist. Es hilft, sie besser zu verstehen.

Machen Sie privat Gebrauch von den Möglichkeiten des Internets?

Ja. Zur Kommunikation und zur Informationsbeschaffung.

Was für einen Computer haben Sie?

Einen zu langsamen.

Finden Sie, dass Internet und klassische Musik zusammenpassen?

Ja, passt zusammen solange das Internet Informationen über Musik, über Spielpläne und Interpreten verbreitet und natürlich zur Kommunikation. Sich aber illegal MP3-Files herunterzuladen degradiert für mich den Wert einer Aufnahme.

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