
Musikzeitschriften im Portrait: Vivavoce
"Technik allein finde ich todlangweilig!"
Ein Gespräch mit der Pianistin Ewa Kupiec
von Dagmar Zurek, aus: VivaVoce Nr. 62
Ein Labyrinth für Autofahrer, diese Straßen hier, sagt Ewa Kupiec, als sie mit Verspätung im Café zum Interview eintrifft. Sie meint damit die hügeligen Gässchen von Spoleto, jenem umbrischen Dörfchen, das einmal im Jahr aus seinem Dornröschenschlaf aufwacht. Dann, wenn der Komponist Gian Carlo Menotti sein "Festival Dei Due Mondi" veranstaltet. Ausgerechnet in Spoleto laufen wir uns zufällig über den Weg, auf dem trubeligen Marktplatz, dort, wo sich die eigens zum Festival angereisten reichen Römer unter die Jugend des Städtchens mischen. Der Ort für ein "ruhiges" Gespräch am nächsten Vormittag ist schnell ausgemacht. Im Café nahe der Oper herrscht dann allerdings ein Höllenlärm: Die italienischen Musiker, die nebenan für eine Oper Menottis proben, trinken hier ihren Pausen-Cappuccino. Schnell sind wir beim Thema, Kupiecs Engagement für die Komponistin Grazyna Bacewicz, und dem aktuellen Musikleben. Auf den Pianisten-Olymp gelangen sie heutzutage schnell, all die wettbewerbsgestählten jungen Virtuosen - wie aber gelingt es einer Frau, sich dort nun schon so viele Jahre zu halten? Beziehungen, Medienpräsenz? Wichtiger als aller Presserummel, sagt Ewa, sei es für jede Musikerin, sich täglich intensiv mit Musik zu beschäftigen. Daran, glaubt sie, mangele es heute oft dem jungen Nachwuchs. Die meisten Wettbewerbssiegerinnen seien für die großen Konzerte überhaupt noch nicht vorbereitet - man verfüge meist über brillante Technik, aber über ein schmales Repertoire. Hinzu komme: "Die jungen Leute werden ausgenutzt durch die großen Agenturen - nach zwei, drei Jahren sind sie weg vom Fenster." Auch Ewa Kupiec, die inzwischen in Italien lebt, gehört zu denjenigen PianistInnen, die durch einen ersten Preis bei einem renommierten Wettbewerb an die Spitze des Musiklebens katapultiert wurden. Allerdings ist sie eine der wenigen, die seitdem - sie wurde 1992 Preisträgerin des ARD-Wettbewerbs - nicht mehr aus dem europäischen Musikleben wegzudenken sind.
Inzwischen gehört sie zu einer der anerkanntesten Interpretinnen polnischer Musik. Ihre Interpretation der Klavierwerke von Chopin, Szymanowsky und Paderewski, deren Werke sie inzwischen auch auf CDs einspielte, wurden von der Kritik umjubelt und mit Preisen überhäuft. Ob sie mit den beliebten Schlachtrössern der Konzertliteratur in großstädtischen Abo-Reihen gastiert, ihr Publikum für Neue Musik begeistern will oder die Musik ihres Lebensgefährten Randan Meyers vorstellt: Nach wenigen Minuten ist ihr Publikum gebannt. Charisma, Technik? Ewa Kupiec: "Ach wissen Sie, Charisma taugt vielleicht für die drei Minuten, bis Sie den Klavierhocker erreicht haben. Und Technik allein finde ich todlangweilig! Es ist so, als wenn sie angesichts eines schönen Hauses über die Statik sprechen. Um ein Konzert zu tragen, um die Spannung zwei Stunden zu halten, dazu braucht es mehr! Diese sogenannte Anziehungskraft muss da sein, dass selbst die Zuhörer, die eigentlich lieber Mozart mögen, auch bei Neuer Musik mitgehen." Die romantischen und poetischen Seiten einer jeden Musik allerdings will sie entdecken, sie, die diese große Affinität zur Moderne hat. Von "emotionaler Kommunikation" spricht sie da. Und vom Luxus, noch diese Visionen vom Beruf zu haben. Bloß keine Routine, keine mechanische Sache daraus machen. So ein Leben allerdings erfordere Kraft, erzwinge Phasen, in denen man auch mal ´ganz anders´ kreativ sein muss, sagt die Siebenunddreißigjährige. Natürlich, weiß sie, es sei schon ein ´Privileg', "in diesem hellen Italien mit der Musik so ganz natürlich zu leben. Allerdings: Solist zu sein kann auch zum ständigen Kampf werden, kann ein Weg in die Isolation sein", so Ewa Kupiec. Langsam ändere sie sich, sagt sie, "ich öffne mich." Und erweitere ständig ihr Repertoire.
Portrait

"Bei der großen Musik ist es eine Frage auf Leben und Tod."
Der Pianist Herbert Schuch im Gespräch mit klassik.com.
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