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Dienstag, 30. Mai 2023

[Der

Musikzeitschriften im Portrait: Vivavoce

Der "weibliche" und der "männliche" Beethoven

Neue Fragestellungen

von Renate Brosch, aus: VivaVoce Nr. 57

(ungefähr 6 Seiten)

VIVAVOCE: Frau Prof. Borchard, Sie sind einem größeren Publikum durch Ihren Film über Clara Schumann bekannt geworden, den Sie 1996 anläßlich des 100. Geburtstags der Komponistin für den NDR gemacht haben. Wann sind Sie in Ihrem Leben auf das Thema Komponistinnen und den Namen Clara Schumann im besonderen gestoßen?

BORCHARD: Das ist eine lange Geschichte, die äußerlich damit begann, dass ich mein Abitur auf einer Clara-Schumann-Schule gemacht habe. Das Bild der 17jährigen Clara Wieck hing vor dem Eingang zum Lehrerzimmer. Dieses Mädchen, das im gleichen Alter war wie wir Schülerinnen, beeindruckte natürlich in ganz anderer Weise, als wenn gerade an dieser Stelle ein ernster Bundespräsident auf uns herabgeblickt hätte. Wir haben uns in der Schule damals - "natürlich" - gar nicht mit Clara Schumann beschäftigt, obwohl an dem Gymnasium sehr viel Musik gemacht wurde. Ich wusste nur, dass sie Pianistin war und die Frau von Robert Schumann. Später habe ich dann Musikwissenschaften, Germanistik und Geschichte in Bonn studiert. Komponistinnen kamen in meinem Studium nicht vor. Erst als ich über Rückert-Vertonungen von Robert Schumann promovieren wollte und bei meinen Vorarbeiten auf den "Liebesfrühling" op.37 stieß und feststellte, dass Schumann diesen Liedzyklus gemeinsam mit seiner Frau geschrieben hatte, begann ich mir Fragen zu stellen: Warum z.B. ein komponierendes Ehepaar so gar nicht in meine Vorstellung von romantischem Künstlertum passte. Ich begann die Briefe beider zu lesen und wunderte mich immer mehr. Das war Mitte der Siebziger Jahre, auch Zeit der allgemeinen Frauenbewegung, die ja die Suche nach Komponistinnen erst ausgelöst hat. Schließlich fiel mir Eva Riegers Buch Frau, Musik und Männerherrschaft in die Hand. Das wirkte wie eine Enttabuisierung: Wenn so ein Buch nicht nur geschrieben sondern auch publiziert werden konnte, dann waren meine Fragen wohl doch nicht so abwegig, wie sie nicht zuletzt dem Betreuer meiner Arbeit erschienen. Dennoch habe ich noch ziemlich lange versucht, die Arbeit so zu schreiben, das sie auch ihm passte, was natürlich irgendwann dazu führte, dass ich nicht mehr wusste, was ich überhaupt schreiben wollte und konnte.

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