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Donnerstag, 30. November 2023

[Ein langes Bühnenleben]

Musikzeitschriften im Portrait: Das Orchester

Ein langes Bühnenleben

Gespräch mit der Sängerin Martha Mödl

von Burkhard Laugwitz, aus: Das Orchester 07/2001

Seite 5

Ich machte damals anfänglich alles einfach nur aus dem Gefühl: Ich will singen und sonst nichts. Ich erinnere mich noch, wie ich da auf die Bühne kam. Ein Riesending für meine Verhältnisse! Ein verstimmtes Klavier - auch in Bayreuth - und einer, der darauf dementsprechend spielte. Aber ich war so stabil, da konnte mir nichts passieren. Ich sang also, und der Wieland saß unten im Zuschauerraum. Dann stand er auf und sagte: "Sie sind engagiert." Er sagte nicht, warum und wieso. Erst später sagte er mir den Grund: Ich habe ihm damals gefallen. Ich war damals sehr schlank, noch ausgehungert vom Krieg, und mein "Katzengesicht" habe ihn interessiert, denn er wollte keine hehre Kundry haben, sondern eine menschliche. Er hat einmal gesagt: "Ich will keine Kostüme haben. Ich möchte nur, dass man mir die Protagonisten bedeckt." Er orientierte sich sehr an den griechischen Mythen. Und da hatte ich das Glück hineinzupassen. Er war der Initiator der neuen Zeit. Er sagte das oft: "Ich will die neue Zeit einleiten." Er erfand alles mögliche, eine neue Beleuchtungstechnik, die schräge Bühne. Ich erinnere mich an eine "Parsifal"-Inszenierung, wo er nur mit Licht arbeitete. Er ließ einen Rundhorizont aufziehen und mit Licht Säulen darauf projizieren. Und wenn dann abends die Beleuchtung komplett war, dann war es der schönste Dom, den man sich denken kann.

Das Orchester: Wieland Wagner prägte das Nachkriegs-Bayreuth. Was für ein Mensch war er? Mödl: Das bin ich oft gefragt worden. Aber ich konnte nie eine erschöpfende Antwort geben. Er war übersensibel, weil er eben ein Künstler war. Es gab nichts, was einen an seine Geheimnisse führte. Eine richtige Beziehung zu anderen Menschen gab es bei ihm nie. Er war nie böse oder verärgert, wenn man etwas falsch machte. Er konnte einem wunderbar erklären, was er wollte. Aber vormachen konnte er es nicht. Er hatte keinen Bewegungscharme. Er kam immer auf den Punkt, der für die Szene wichtig war. Komischerweise hörte er auf, wenn er Leute hatte, die das, was er nicht konnte, auch nicht konnten. Dann dachte er, dass er das ändern müsse. Er hatte zum Beispiel einmal einen holländischen Kurvenal. Wenn der lief, dann hat er immer beide Arme gleichzeitig vor und zurück genommen. Das störte Wagner so furchtbar. Ich saß damals im Zuschauerraum und beobachtete ihn. Er wusste gar nicht mehr, was er machen sollte. Plötzlich hatte er eine Idee. Er stand auf, rief nach der Requisite und sagte: "Bringen Sie mir ein Schwert." Und dann nahm er das Schwert, ging auf die Bühne, ging zu ihm hin und sagte: "Wissen Sie, ich suche schon seit langem nach einem Emblem für die Treue des Kurvenal. Nehmen Sie das Schwert und halten Sie es so schräg vor die Brust." Der Sänger pendelte nie wieder mit den Armen, weil er ja nicht konnte. Das war Wieland Wagner. Das Orchester: Wieland Wagner hatte es ja sicher nicht leicht mit der Etablierung von Neubayreuth, denn es lebte ja noch Winifred Wagner. Mödl: Nun ja, das kann schon sein, denn die Frauen in Bayreuth spielen ja immer eine große Rolle, bis zum heutigen Tag. Und das wollte Wieland nicht. Er wollte einfach nicht, dass Frauen wieder so einen Einfluss haben wie Cosima, seine Großmutter. Er wehrte sich so dagegen, dass er seiner Mutter verboten hat, die Proben zu besuchen oder überhaupt am Hügel zu erscheinen. Und es gab ja auch massig Auseinandersetzungen. Aber interessant bleibt doch, dass immer die angeheirateten Frauen so eine unglaubliche Rolle spielen wollen. Bis heute. Das Orchester: Frau Mödl, welche Erinnerungen haben Sie an Ihre frühen Jahre in Bayreuth? Mödl:

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