
Pressereise Menuhin Festival. Zweiter Teil
Eindrücke aus Gstaad
Aron Sayed am 22.07.2009 um 18:01 Uhr
Samstagmorgen: Nach dem Frühstück und einer Unterhaltung über britische Komponisten mit einem Londoner Kollegen und seiner Frau fahren wir hinauf aufs Eggli, einer Hochalm, wo bei gutem Wetter die Sicht sehr gut sein soll. Leider aber hat der gestern Nachmittag einsetzende Regen bis jetzt nicht aufgehört und wird erst heute Abend stoppen, so dass uns dort nur Hochnebel und Kälte erwarten. Auf den gegenüberliegenden Hängen kann man in über 1800 Meter Höhe Schnee erkennen, der erst heute Nacht gefallen ist. In der Hütte einer Bauernfamilie, die hier oben die Sommermonate verbringt, dürfen wir auf Bänken Platz nehmen. Mit vollendetem Schwizerdütsch erklärt uns der Hausherr den zweieinhalbstündigen Herstellungsprozess des berühmten Saanenkäse, der in einem großen Hexenkessel in der Mitte des Raumes auf einem Feuerchen vor sich hin gärt. Zum Glück erklärt mir jemand nachher die Prozedur noch einmal, denn meine dialektale Kompetenz ist als Hochdeutsch Sprechender eher eingeschränkt. Den besten Käse vom Geschmack, nicht aber vom Geruch her soll man nach einer Reifungszeit von gut fünf Jahren erhalten, es gebe aber genauso ein- bis vier Jahre alten Käse. Leonz Blunschi, der Präsident des Verwaltungsrates, Christoph Müller, der Intendant, und Stefan Matti, der neue Administrativ Direktor des Menuhin Festivals, leisten uns Gesellschaft, natürlich auch um Fragen zu beantworten. Bei einer Unterhaltung mit Leonz Blunschi erfahre ich, dass rund 70 Prozent der Besucher hier Stammgäste sind und der Großteil davon aus der Schweiz kommt. Auf meine Frage, ob man eventuell eine CD-Reihe mit Live-Aufnahmen der Festivalkonzerte, wie es sie etwa beim Klavierfestival Ruhr oder mittlerweile auch beim Schleswig-Holstein Musikfestival gibt, plant, antworten er und Christop Müller eher vorsichtig. Die meisten Künstler, die hier auftreten, haben bei Major Labels Verträge, was so ein Vorhaben kompliziert machen würde. Auch hat die Finanzkrise, trotz des Schweizer Standortes, allgemein für eine Erschwerung der Situation gesorgt, zum Glück aber seien die Sponsoren dem Festival treu geblieben. Ob man vielleicht daran denke, wie es inzwischen beim Verbier Festival oder der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker üblich ist, einige der Konzerte im Internet zu übertragen? Auch hier sind beide eher skeptisch, der Aufwand dafür sei einfach zu groß. Zwei Konzert-DVDs seien allerdings in Planung.
Um 13:15 fahren wir dann wieder zurück ins Bellevue. Bis zur Hotelführung um 16:30 steht nichts auf dem Programmplan. Ich nutze die Zeit und döse ein wenig. Zwischendurch drehe ich ein paar Runden im Pool (sehr nett). Nach einem spektakulären Essen geht es dann zum zweiten Konzert der Festival-Eröffnung in der Kirche Saanen, dem Solorecital von Hélène Grimaud (s. die Rezension ´Grimaud in Gstaad). In der Pause genießt man die wunderschöne Sicht vom erhöht gelegenen Kirchplatz auf die alpine Umgebung, da mittlerweile der Regen aufgehört hat. Was mich etwas verwundert, ist, dass sich niemand wirklich an ihrem romantisierendem Bach-Vortrag zu stören scheint. Zwar wirkt es, als sei fast jedem der Besucher die phänomenale Ahistorizität ihrer Interpretation klar, doch außer einem meiner Kritikerkollegen und mir selbst reibt sich wohl kaum jemand daran. Darauf lässt zumindest der große Applaus schließen, den sie, zugegeben, sicher nicht völlig zu Unrecht, erhält.
Am Sonntagvormittag ist der Abschied von Gstaad nahegerückt. Als letzter Programmpunkt der Pressereise ist eine Fahrt auf den Glacier 3000 vorgesehen. Vom 1546 Meter hohen Col du Pillon aus geht es per Seilbahn aufwärts. Das heißt, auf die erste Seilbahn, die während des Aufstiegs eine fantastische Sicht auf und über die Alpen bietet, folgt noch eine zweite. Ganz oben befindet man sich dann tatsächlich in 3000 Meter Höhe. Die Luft ist dünn und überall liegt Schnee, ab und zu klärt sich der Hochnebel und man sieht von der einen Seite in Richtung Genfersee, von der anderen, wenn mich nicht alles täuscht, Richtung Thunersee am nördlichen Alpenrand. Am 29. 8 wird hier übrigens auch der Schweizer Jazzmusiker George Gruntz auftreten. Dann bin ich aber leider längst nicht mehr hier. Mittlerweile ist es richtig schön geworden. Gerne würde ich noch auf eigene Faust einige Zeit wandernd die Gegend erkunden, aber um 14:15 muss ich in Gstaad am Bahnhof sein, die täglichen Verpflichtungen rufen...
Sonstiges | 0 Kommentare | Trackbacks | Permalink
Kommentar zu diesem Beitrag schreiben:
Sie müssen sich einloggen, bevor Sie einen Kommentar schreiben können.
Portrait

"Auf der Klarinette den Sänger spielen, das ist einfach cool!"
Der Klarinettist Nicolai Pfeffer im Gespräch mit klassik.com.
Sponsored Links
- klassik.com Radio
- Urlaub im Schwarzwald
- Neue Musikzeitung
- StageKit - Websites für Musiker, Veranstalter und Konzertagenturen